Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Wie ein Sechser im Lotto“

- VON UTE RASCH

An der Gräulinger Straße bietet die Awo jetzt Seniorenwo­hnen und eine Demenz-WG an.

Wenn Hartmut Wnuk gefragt wird, wie ihm seine neue Wohnung gefällt, kommt die Antwort prompt: „Wie ein Sechser im Lotto – mit Superzahl.“Er und seine Frau Renate haben lange auf ein solches Zuhause gewartet. Denn die 77-Jährige ist auf einen Rollstuhl angewiesen, und für den war die alte Wohnung zu eng. Deshalb musste Renate Wnuk 30 Monate (wie ihr Mann exakt beziffert) in einem Pflegeheim betreut werden. Doch nun ist das Unwahrsche­inliche eingetroff­en: Das Paar lebt wieder unter einem Dach, in einem neuen Wohnprojek­t in Gerresheim, in dem die Uhren ein bisschen anders ticken als anderswo.

Es gibt von allem zu wenig in Düsseldorf: bezahlbare­n Wohnraum für Familien, für Senioren und für demenzkran­ke Menschen. So sind diese Neubauten an der Gräulinger Straße als Mittel gegen den Mangel konzipiert worden: Sechs weiße Gebäude mit grünen Innenhöfen als Treffpunkt, Spielecke, Rückzugsor­t. Da über die Durchgangs­straße der Verkehr unablässig rauscht, hat der Architekt Jan Sternel (Rheinschie­ne Architekte­n) die Gebäude so geplant, dass sie der Straße nur ihre Schmalseit­e zeigen. „Schallschu­tz war in jeder Hinsicht wichtig,“auch für die Balkone, deshalb wurden sie mit faltbaren Glaswänden ausgestatt­et, die sich an Sommertage­n zusammenkl­appen lassen.

Möglichst viel Wohnraum zu schaffen, gleichzeit­ig reichlich Platz für Grünfläche­n, zählte zu den Herausford­erungen, mit denen die Wohnungsge­nossenscha­ft Düsseldorf-Ost als Bauherrin den Architekte­n konfrontie­rte. „Außerdem sollte die frei finanziert­e Kaltmiete unter zehn Euro pro Quadratmet­er bleiben, trotz hochwertig­er Ausstattun­g.“Entstanden sind 80 Wohnungen, teils öffentlich gefördert, von Appartemen­tgröße bis zur 4-Zimmer-Wohnung für Familien. Das Interesse an solchen Projekten ist groß, am Wochenende kamen zum „Tag der Architektu­r“mehr als 100 Besucher.

Ein Gebäude hat die Arbeiterwo­hlfahrt als Partnerin übernommen – für ein Zukunftspr­ojekt. Sie vermietet 12 Wohnungen an Senioren und hat zusätzlich eine Wohngemein­schaft auf zwei Ebenen für 12 Demenzkran­ke eingericht­et. Deren Bewohner haben eigene Zimmer mit Bad und teilen sich Räume fürs Gemeinscha­ftsleben. Dort wer- den soeben von einigen Bewohnern Kartoffeln geschält, mittags soll es Senfeier mit Püree geben – ein Gericht mit dem Geschmack der Kindheit. „Unsere Mieter sollen möglichst individuel­l leben, wie sie es zuhause gewohnt waren“, sagt Kasia Ast, die Leiterin der Einrichtun­g.

Im Garten vor der WG sprudelt ein Brunnen, dort blüht Lavendel neben Salbei und Thymian – Düfte, die die Sinne stimuliere­n. In die Stille platzt gerade Frau B., die von ihrem regelmäßig­en Gedächtnis­training kommt. Nun braucht sie erst mal einen Kaffee, bevor sie sich zu den anderen in den Schatten setzt. Wie alle hier, kann sie auf liebevolle Rund-um-die-Uhr-Betreuung zäh- len. Dass trotz großer Nachfrage und Warteliste zwei Monate nach dem Einzug noch zwei Zimmer frei sind, liegt wohl kaum daran, dass ein Platz in der WG mit Verpflegun­g und 24-Stunden-Betreuung ab 2800 Euro kostet. „Das ist ja nicht mehr als in Pflegeheim­en“, so Kasia Ast.

Was in der „Kirschblüt­e Gerresheim“(so der Name der WG) keimt, ist ein seltenes Pflänzchen. Vor allem deshalb: Das Konzept der Awo ermöglicht sanfte Übergänge. So leben in einigen Wohnungen ältere Ehepaare, von denen ein Partner auf Hilfe angewiesen ist. Vielleicht nur, weil er morgens die Kompressio­nsstrümpfe nicht allein anziehen kann, vielleicht weil er an Demenz erkrankt ist und das Paar Unterstütz­ung braucht. „Und wenn die Krankheit fortschrei­tet, versuchen wir einen Umzug in die Demenzgrup­pe zu ermögliche­n,“sagt Kasia Ast. Während der gesunde Partner nur ein paar Schritte entfernt in der Wohnung bleibt – für einen gemeinsame­n Alltag ohne Barrieren.

Auch Hartmut Wnuk nimmt Hilfe für seine Frau in Anspruch, damit sie nicht allein ist, wenn er Besorgunge­n erledigt. Das Paar wohnt nun in einer 60 Quadratmet­er großen Wohnung mit ebenerdige­r Terrasse, behinderte­ngerechtem Bad und einer Rampe für den Rollstuhl. Sein Fazit: „Besser hätten wir es nicht treffen können.“

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RP-FOTOS (2): HANS-JÜRGEN BAUER Sechs Häuser mit Ausblick – Architekt Jan Sternel hat die Wohnanlage in Gerresheim so konzipiert, dass sich jeweils zwei Gebäude einen grünen Innenhof teilen.

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