Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Die Grenzschließung war unpopulär“
Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (30) spricht im Ständehaus über Asylpolitik, die Kanzlerin – und ein bisschen über seine Freundin.
DÜSSELDORF Schon bevor Sebastian Kurz die Bühne erklommen hatte, war er der meistfotografierte Mann des Abends. Keine ausgestreckte Hand übersah er, keinen SelfieWunsch lehnte er ab. Sehr zur Freude der rund 600 Gäste, die gestern zum Ständehaus-Treff im früheren Düsseldorfer Landtagsgebäude gekommen waren, um Europas politischen Shootingstar kennenzulernen. Wer ist dieser gerade mal 30jährige Sebastian Kurz, der offenbar nichts falsch machen kann auf dem Weg ganz nach oben?
RP-Chefredakteur Michael Bröcker erinnerte daran: Die politische Karriere des Sebastian Kurz liest sich wie das Drehbuch für einen Film im Zeitraffer. Als 17-jähriger Schüler wird er Mitglied in der Jugendorganisation der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP), mit 22 steigt er zum Vorsitzenden der Jungen ÖVP auf, mit 24 wird er Staatssekretär für Integration. Nur drei Jahre später wird Kurz Außenminister, der jüngste, den Österreich je hatte – und das ohne abgeschlossenes Studium, ohne jede diplomatische Erfahrung. Und nun hat Kurz auch noch seine Partei, die altehrwürdige ÖVP, im Handstreich übernommen. Im Herbst könnte er Bundeskanzler werden. Kurz wäre dann 31 Jahre alt.
Ein lange im Voraus geschmiedeter Karriereplan? „Ach wo“, sagt Kurz, „als man mich damals zum Staatssekretär machen wollte, habe ich mich erst dagegen gesträubt, weil ich wusste, dass alle über mich herfallen würden. Beim ersten Fototermin vor dem Ministerium hat eine alte Dame mir sehr ruppig empfohlen, doch erst mal die Schule fertigzumachen.“
In Frankreich ist mit Emmanuel Macron gerade ein 39-Jähriger Präsident geworden. Baut da künftig eine neue politische Generation ein neues Europa?, will Bröcker wissen. „Nur weil man gleich jung ist, tickt man ja nicht unbedingt gleich“, wehrt Kurz ab. Aber es stimme schon: Seine Generation könne härter und schärfer über Europa diskutieren, ohne sofort in Verdacht zu geraten, schlechte Europäer zu sein. „Europa, die EU, das ist für uns einfach selbstverständlich.“
Kurz ist kein Intellektueller, aber auch kein Ideologe. Er ist durch und durch Pragmatiker und schon ein ausgebuffter Techniker der Macht. Politisch bleibt er dagegen meist unverbindlich. Nur einmal nicht. Das war im September 2015, als Kurz sich zum großen Antipoden von Angela Merkels Flüchtlingspoli- tik aufschwang, die Abriegelung der Balkan-Route und Obergrenzen für Flüchtlinge forderte.
War das ein Schachzug, um der rechtspopulistischen FPÖ das Wasser abzugraben? „Klar lag das eher auf der Linie der FPÖ“, bekennt Kurz. „Aber mit Taktik hatte das nichts zu tun. Es war eine extrem unpopuläre Position.“Er habe sich auch nicht so positioniert, um Merkel zu ärgern. „Wir standen unter hohem Druck, mit 10.000 Flüchtlingen jeden Tag. Wir mussten einfach einen Plan B entwerfen.“
Seither hat Kurz sein großes Thema. Derzeit fordert er, Flüchtlinge gar nicht mehr über das Mittelmeer nach Europa zu lassen, sondern sie möglichst an der nordafrikanischen Küste abzufangen. Kurz ist in diesem Punkt sehr klar: Je schwerer es Flüchtlinge haben, nach Europa zu kommen, desto weniger machen sich überhaupt erst auf den Weg.
Die Klage der deutschen Bundeskanzlerin über mangelnde Solidarität in der Europäischen Union sei berechtigt, sagt Kurz. Die Frage sei aber, ob man Solidarität erzwingen könne: „Es sind ja nicht nur einige Länder, die keine Flüchtlinge wollen – die meisten Flüchtlinge wollen auch nicht in diese Länder.“
Kurz ist schlagfertig, gut aufgelegt. Eine Rampensau im besten Sinne des Wortes, noch dazu höchst charmant. Immer wieder löst er mit