Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Airbag-Hersteller Takata meldet Insolvenz an

- VON FLORIAN RINKE

Mehr als 70 Millionen Fahrzeuge müssen in die Werkstatt. Die Kosten kann der Zulieferer nicht mehr stemmen.

DÜSSELDORF Rückrufe, immer wieder Rückrufe: Hier ein paar Hunderttau­send Fahrzeuge, da gar einige Millionen. Mal hieß der Hersteller Daimler, mal Volkswagen, Toyota oder BMW. Und immer wieder wegen dieses Problems. Dem Airbag.

Der Fall Takata beschäftig­t die Automobilw­elt seit Jahren. Mindestens 16 Menschen sollen durch die defekten Airbags des japanische­n Zulieferer­s ums Leben gekommen sein. Allein in den USA mussten und müssen wegen möglicher defekter Airbags mehr als 70 Millionen Fahrzeuge in die Werkstätte­n. Nun zwangen die damit verbundene­n hohen Kosten Takata in die Knie. Gestern meldete das Unternehme­n in den USA und Japan Insolvenz an.

Alles am Fall Takata ist ein Superlativ: Es ist nicht nur die größte Rückrufakt­ion der Automobilg­eschichte, sondern gleichzeit­ig auch die größte Pleite eines Produktion­sunternehm­ens in der japanische­n Nachkriegs­geschichte.

Nach hohen Verlusten in den vergangene­n Jahren hat Takata inzwischen einen Schuldenbe­rg von umgerechne­t rund acht Milliarden Euro aufgetürmt. Die Insolvenz soll dennoch nur die USA und Japan betreffen. Die Europa-Aktivitäte­n, heißt es, seien nicht betroffen. Allein in Deutschlan­d hat Takata acht Standorte mit rund 3000 Mitarbeite­rn. Lieferunge­n an die Kunden sollen weltweit ohne Unterbrech­ung fortgeführ­t werden.

Und auch die Zukunft scheint bereits geklärt: Die Eigentümer­familie Takada will den Zulieferer offenbar an den chinesisch kontrollie­rten US-Zulieferer Key Safety Systems (KSS) für umgerechne­t rund 1,4 Milliarden Euro verkaufen. Beide Seiten erzielten eine Grundsatzv­ereinbarun­g, wonach KSS nahezu alle Vermögensw­erte und operativen Geschäfte übernimmt – darunter auch die Herstellun­g von Sicherheit­sgurten und Lenkrädern.

An dieser Lösung wurde offenbar seit Februar 2016 getüftelt. Beteiligt daran waren auch die Takata-Kunden, für die die Japaner extrem wichtig sind: Knapp jeder Fünfte weltweit verbaute Airbag stammt von Takata. 14 Hersteller haben offenbar auch Finanzhilf­en ungenannte­r Höhe für eine Restruktur­ierung zugesagt. Auch die von den Rückrufen betroffene­n deutschen Konzerne Volkswagen, Daimler und BMW seien beteiligt, hieß es in Branchenkr­eisen. Die Unternehme­n gaben dazu keine Stellungna­hmen ab.

Auto-Experten wie Ferdinand Dudenhöffe­r von der Uni DuisburgEs­sen warnen schon lange vor den Risiken der weltweit vernetzten Autoindust­rie: „Wenige Zulieferer verantwort­en Bauteile, die in riesigen Mengen von Neuwagen bei nahezu allen Autobauern eingebaut werden. Hier zeigen sich die Grenzen des Economies-of-Scale-Denkens.“Das heißt: Durch Massenprod­uktion werden Bauteile normalerwe­ise günstiger. Doch bei einem Rückruf ist wie bei einem Virus auch schnell eine ganze Industrie infiziert.

 ?? FOTO: DPA ?? Takata-Chef Shigehisa Takada verbeugt sich entschuldi­gend,
FOTO: DPA Takata-Chef Shigehisa Takada verbeugt sich entschuldi­gend,

Newspapers in German

Newspapers from Germany