Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Die Zutaten für eine großartige WM“

- VON ECKHARD CZEKALLA

Vettel erntet viel Kritik für Rammstoß gegen Hamiltons Mercedes. Er bringt die Formel 1 ins Gespräch und ins Gerede.

DÜSSELDORF Es war der Moment, in dem sich Lewis Hamilton als moralische Instanz präsentier­te. „Wir sind Weltmeiste­r. Wir machen so was nicht“, teilte der dreimalige Formel-1-Champion nach dem ereignisre­ichen Formel-1-Rennen in Baku mit. Die derart verpackte Kritik galt Sebastian Vettel, der sogar vier WM-Titel in seiner Vita stehen hat. Der Ferrari-Star sei ein schlechtes Vorbild für alle Nachwuchsp­iloten, betonte der Mercedes-Fahrer, der aber auch nicht immer als Blaupause für einen einwandfre­ien Umgang mit seinen Rivalen taugt.

In Baku aber hatte Hamilton fast alle auf seiner Seite, war Vettel in die Defensive gedrängt. Der Heppenheim­er glaubt, dass er nur deshalb in den Mercedes fuhr, weil der 32-Jährige am Ende einer SafetyCar-Phase nicht – wie zu erwarten war – beschleuni­gte. Vettel war angefresse­n, setzte sich im Ferrari neben den Rivalen, zeigte ihm seinen Ärger und krönte seine Frustaktio­n, indem er bewusst gegen den linken Vorderreif­en des Mercedes fuhr.

Von einer Entschuldi­gung wollte der Heppenheim­er nichts wissen. Dass nur er und nicht auch Hamilton bestraft wurde, konnte und wollte er nicht verstehen. Doch die Daten des Automobil-Weltverban­des (Fia) bestätigte­n, dass Hamilton nicht wesentlich langsamer unterwegs war als bei den Neustarts zuvor. Vettel musste als Strafe sein Auto zehn Sekunden lang vor der Box „parken“und erhielt wegen gefährlich­en Fahrens drei Strafpunkt­e. Seit 10. Juli 2016 hat er damit neun auf seinem Sünderkont­o. Soll- ten am 9. Juli in Österreich noch drei hinzukomme­n, wäre Vettel automatisc­h ein Rennen gesperrt.

Das Rennen in Baku war spektakulä­r mit zahlreiche­n Unfällen, harten Rad-an-Rad-Duellen und dem lichen Boxenstopp einlegen, verpasste damit wohl den Sieg und wurde unmittelba­r hinter dem WMSpitzenr­eiter nur Fünfter.

Bei aller öffentlich zur Schau getragenen Empörung wird es aber nicht wenige geben, die den neuen Druck im Kessel begrüßen. Drei Jahre lang hatte Mercedes mit 51 Siegen in 58 Rennen für Monotonie gesorgt. Auch das teamintern­e, oft nicklige Duell zwischen Nico Rosberg und Hamilton sorgte auf Dauer nicht als Spannungsv­erstärker. Nun kämpfen ein Ferrari-Fahrer und ein Mercedes-Pilot um den Titel. Bislang herrschte Respekt. „Was heute passiert ist, hat ihre Beziehung sicher nicht verbessert“, sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. „Ab einem bestimmten Zeitpunkt können die Besten, die um den WM-Titel fahren, nicht mehr Freunde sein. Vielleicht haben wir heute die Grenzen des Respekts gesehen“, ergänzte der Österreich­er.

Baku lieferte den perfekten Stoff für jene, die das Produkt Formel 1 verkaufen müssen. Das von manchen martialisc­h als Hassduell bezeichnet­e WM-Rennen der kommenden Monate lässt aufhorchen. Beim TV-Sender RTL sahen im Schnitt 5,14 Millionen Zuschauer das Rennen (Marktantei­l: 30,9 Prozent) – 360.000 mehr als im Vorjahr. Der positive Trend 2017 setzt sich fort. War die Formel 1 bislang stärker im Gespräch, ist sie nun ins Gerede gekommen. Bei aller Empörung macht Toto Wolffs Feststellu­ng klar, worum es letztlich geht. „Der Sport braucht diese Rivalität. Was wir heute gesehen haben, waren die Zutaten für eine großartige WM“, sagte der Chef der Silberpfei­le.

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