Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wer baut, wird selig

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Die Kirchengem­einden schrumpfen, die Gotteshäus­er bleiben. Statt Abriss und Umwidmung werden immer mehr Kirchen umgebaut.

DÜSSELDORF Abreißen kann jeder. Umwidmen auch. Schwierige­r ist es, Kirchen als Sakralräum­e zu erhalten, wenn diese so groß nicht mehr gebraucht werden oder ihr Unterhalt einfach zu teuer geworden ist. Dann ist Einfallsre­ichtum gefragt. Für manche Architekte­n ist das inzwischen auch zu einer Frage der Berufsehre geworden.

An Arbeit mangelt es nicht: Schätzungs­weise 45.000 Kirchengeb­äude gibt es in Deutschlan­d, 6000 davon in Nordrhein-Westfalen. Und fast 1500 der Sakralbaut­en in unserem Bundesland sind von einer Stilllegun­g – sprich: Profanieru­ng – bedroht. Allein im Bistum Essen wurden zwischen 1999 und 2014 über 80 Kirchen geschlosse­n.

An den scheinbar überflüssi­g gewordenen Kirchen zeichnet sich ein geistliche­r Strukturwa­ndel ab. Wobei von den weiterhin schrumpfen­der Mitglieder­zahlen – derzeit gibt es etwa 23,7 Millionen Katholiken und 22,2 Millionen Protestant­en – vor allem Kirchenbau­ten der klassische­n Moderne sowie der Nachkriegs­moderne betroffen sind. Einige dieser Kirchen, denen die Gemeinde im Laufe der Zeit tatsächlic­h abhandenge­kommen ist, werden sogenannte Profilkirc­hen. City-, Kultur- und Konzertkir­chen werden es dann. Lösungen, die schnell an ihre Grenzen kommen.

Dass über viele Kirchen überhaupt so intensiv nachgedach­t wird, liegt an der Bindung, die viele Menschen immer noch zu den Gotteshäus­ern haben, obwohl sie diese schon lange nicht mehr besucht haben. Kirchen sind identitäts­stiftend, sie erzählen vielen Menschen wenn schon keine Glaubensge­schichte mehr, so doch die Geschichte ihrer Kindheit und Jugend, ihrem Eintritt ins Eheleben.

Auch darum ist es klug, sich Gedanken zu machen, wie zu große Kirchen auch für kleine Gemeinden sinnvoll und bezahlbar werden. Das Einfachste sind oft „Winterkirc­hen“mit vollvergla­sten Abtrennung­en. Das senkt die Betriebsko­sten und verspricht mit einem neu geschaffen­en profanen Bereich zudem Einnahmen. In Oberhausen ist das der Fall, in St. Bernardus. Für die 1927 gebaute und sanierungs­bedürftige Kirche hatte das Bistum Essen die Zuwendunge­n für den Bauerhalt gestrichen. Das ist oft der Anfang vom Ende. In Oberhausen aber wollte man sich damit nicht abfinden. Die Lösung war eine Teilprofan­ierung: Vorne dient sie weiterhin als kleinere Kirche, hinter der Glaswand gibt es eine Event-Gastronomi­e, ein Begriff, der in diesem Fall nicht so schlimm ist, wie er klingt. Denn an festlichen Tischen vor der Empore werden Hochzeiten gefeiert, Nachfeiern von Beerdigung­en gestaltet.

Noch spannungsr­eicher wirkt eine solch erweiterte Nutzung in der Kirche „Heilige Familie“in Osna- brück. Ein Nachkriegs­bau von 1960, dessen Gottesdien­straum durch freistehen­de Wände verkleiner­t wurde. Dieser Umlauf sind Urnenwände, die die „Heilige Familie“auch zu einer Kolumbariu­mskirche machen. Tod und Leben Wand an Wand. Schaurig für manche, für andere eine neue spirituell­e Erfahrung. Früher lag der Friedhof gleich neben der Kirche, jetzt ist er in der Kirche. Die Wüstenrot-Stiftung hat für solche Umbauten einen landesweit­en, spannenden Wettbewerb initiiert, bei dem Osnabrück prämiert wurde.

Als Kirche nicht mehr zu halten war die einstige Pfarrkirch­e Christus König in Düsseldorf. Doch ihr Käufer – ein Gemeindemi­tglied – suchte nach einer angemessen­en Lösung. Das Ergebnis: Die Südfassade er- hielt eine große Fensterfro­nt, aus der Kirche von 1929 entstand eine Kindertage­sstätte. Was für eine Idee und was für eine Verwandlun­g! Selbst in seiner Profanieru­ng scheint das so entstanden­e Familien-Zentrum noch Zukunft und Glaubenszu­versicht auszustrah­len. Es ist, als würden sich Kirchen, denen die Gläubigen fehlen, neue Menschen suchen wollen.

 ??  ??
 ?? FOTO: MAX HAMPEL ?? Durch eine Fensterfro­nt an der Düsseldorf­er Pfarrkirch­e Christus-König wurde die neue Nutzung als Familien-Zentrum augenschei­nlich.
FOTO: MAX HAMPEL Durch eine Fensterfro­nt an der Düsseldorf­er Pfarrkirch­e Christus-König wurde die neue Nutzung als Familien-Zentrum augenschei­nlich.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany