Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Kalenderblatt 27. Juni 1971
Die erste Folge hieß „Der Fall Lisa Murnau“, es ging um Postraub mit Körperverletzung. Als am 27. Juni 1971 die Reihe „Polizeiruf 110“auf Sendung ging, planten die Verantwortlichen, Morde eher selten mit ins Programm zu nehmen. Der Fokus sollte vielmehr auf den weitaus häufigeren, aber weniger spektakulären Fällen liegen: Einbruch, schwerer Diebstahl, Betrug und Körperverletzung. Darin unterschied sich der „Polizeiruf“von seiner Schwestersendung in der Bundesrepublik, dem „Tatort“. Die Sendereihe des DDR-Fernsehens sollte einen Spagat schaffen: Einerseits sollte sie Kriminalität zeigen, andererseits aber kompetente Polizeiarbeit in den Vordergrund stellen. Gesellschaftliche Probleme durften aufgegriffen werden, gleichzeitig mussten aber gerade die Sympathieträger das gewünschte Bild vom DDR-Bürger erfüllen. Trotz der ständigen Kontrolle durch die Instanzen des DDRStaats wurde der „Polizeiruf“zum Publikumsliebling. Bis zu seiner Abwicklung produzierte der staatliche Fernsehsender DFF fast 150 Folgen, die auch vom westdeutschen Publikum gerne gesehen wurden. 1993 übernahm die ARD die Sendereihe und veränderte das Konzept. Seitdem geschieht auch am Anfang eines „Polizeiruf“meist ein Mord. Die ARD zeigt „Polizeiruf“-Folgen im Wechsel mit dem „Tatort“am Sonntagabend. Mittlerweile zählt die Sendereihe „Polizeiruf 110“mehr als 350 Folgen – und ist fast genauso beliebt wie der „Tatort“.