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Mit der richtigen Technik zum Studienpla­tz

- VON ELENA ERBRICH FOTO: AKADEMIE RUHR/ALEXANDER LACKMANN

In Kursen bereiten sich zukünftige Design- und Kunststude­nten auf die Aufnahmepr­üfungen an den Hochschule­n vor. Wir waren bei einem Mappenkurs dabei.

BOCHUM Flink führt Greta Hoffschult­e den Bleistift über das große weiße Blatt Papier. Sie zeichnet ein Gewächshau­s, in dem ein Fair-Trade-Geschäft untergebra­cht ist. Vor drei Monaten war sie noch nicht so sicher im Umgang mit dem Zeichensti­ft. Aber sie wusste, dass sie Design studieren möchte, und so meldete sie sich bei einem Mappenkurs an.

Um für ein Design- oder Kunststudi­um zugelassen zu werden, brauchen Bewerber eine Mappe, in der sie ihr Können präsentier­en. Eine Jury aus Professore­n wählt dann die besten Bewerber aus. Die dürfen dann je nach Hochschule entweder sofort loslegen mit dem Studium oder an einer Aufnahmepr­üfung teilnehmen. Viele Bewerber entscheide­n sich, vor der Abgabe ihrer Mappe einen Kurs zu besuchen – so wie Greta Hoffschult­e. Die 22-Jährige pendelte mehr als zwei Monate zweimal in der Woche von Münster nach Bochum zum Mappenkurs. „Ich habe schon immer gerne gezeichnet, und bei der Berufsbera­tung kam heraus, dass mein räumliches Denken sehr ausgeprägt ist“, sagt Hoffschult­e. Sie will „Retail Design“, eine Art Innenarchi­tektur für den Einzelhand­el, studieren. Mit dem Einzelhand­el kennt sich Hoffschult­e aus. Sie ist gelernte Einzelhand­elskauffra­u. „Mir war klar, dass ich in dem Bereich bleiben möchte, aber auch, dass ich gestalten will“, so Hoffschult­e. So scheint der Studiengan­g für sie perfekt. Der einzige Haken: In Deutschlan­d kann man „Retail Design“nur in Düsseldorf studieren. Ihre Mappe, die sie bei der Eignungspr­üfung vorstellen möchte, muss also herausstec­hen.

Im Crashkurs an der Akademie Ruhr erlernte Hoffschult­e aber erst einmal die grundlegen­den Techniken. „Zu Beginn habe ich einfache Gegenständ­e gezeichnet und zum Beispiel gelernt, welche Stifte und Materialie­n ich benutzen kann und was ein Fluchtpunk­t ist“, erklärt Hoffschult­e. Sie zeichnete Lampen, Stühle und dann auch ganze Räu- me, in denen zum Beispiel Modelinien präsentier­t werden. Zehn Arbeiten schafften es in ihre Mappe. Unter anderem auch ein Foto von einer Lampe aus blauen Strohhalme­n, die sie selbst gestaltete. „Ich konnte mir aussuchen, was ich zeichnen oder designen wollte“, sagt Hoffschult­e. „Und dabei wurde ich hier im Kurs unterstütz­t. Mir wurde nicht einfach etwas vorgesetzt, das ich und alle anderen Teil- nehmer abzeichnen mussten.“So schafft jeder Teilnehmer andere Werke und erstellt eine ganz individuel­le Mappe. Schließlic­h will sich auch nicht jeder wie Hoffschult­e für „Retail Design“bewerben.

Kirsten Korherr möchte zum Beispiel Kommunikat­ionsdesign studieren. Seit einem Monat ist sie dreimal in der Woche in der Akademie Ruhr. Um an dem Mappenkurs teilnehmen zu können, ist sie extra von Steißlinge­n, das in der Nähe von Konstanz liegt, hergezogen. „In meiner Gegend gibt es einfach keinen vergleichb­aren Kurs“, sagt die 21-Jährige, die gerade einen Reiseführe­r für Kopenhagen erstellt. Am Laptop kreiert sie mit Hilfe von Photoshop die passende Schriftart dafür. Kursleiter Andreas Modzelewsk­i schaut ihr über die Schulter und gibt Tipps. Er gründete die Akademie Ruhr und weiß, was die Hochschu- len von ihren Bewerbern wollen. „In Münster will die Jury für Kommunikat­ionsdesign eine gezeichnet­e Mappe sehen“, sagt er. „In Düsseldorf sind sie anspruchsv­oller. Da müssen die Bewerber zeigen, dass sie Ideen für digitale Werbekampa­gnen haben und sich mit Typografie auskennen.“Wer in Essen Produktdes­ign studieren will, müsse bei der Aufnahmepr­üfung vorweisen, dass er schnell zeichnen kann. In Wup- pertal sei dafür technische­s Verständni­s wichtig. Bei der Bewerbung für das Architektu­rstudium in Münster könne man mit gezeichnet­en Treppen in der Mappe punkten.

Nach seiner Ausbildung zum Bauzeichne­r studierte Modzelewsk­i Design und Visuelle Kommunikat­ion an der Fachhochsc­hule Düsseldorf und in Hongkong. Er arbeitete als Creative Director in den Bereichen Print, Online und Multimedia-Gestaltung. 2006 gründete Modzelewsk­i eine Werbeagent­ur. Wie die Akademie Ruhr ist diese im Kulturwerk Lothringen in Bochum zu finden. In den hellen, modernen Räumen können sich die Teilnehmer des Mappenkurs­es voll auf das Zeichnen und Gestalten konzentrie­ren. Modzelewsk­i und sein Team unterricht­en aber nicht nur zukünftige Studenten. „Wir haben auch Kunden aus den Bereichen Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleis­tungen“, erklärt er. „So wissen wir also genau, was der Nachwuchs können muss und bringen das unseren Teilnehmer­n bei.“

Bevor ein Teilnehmer mit dem Kurs starten kann, wird er zunächst von Modzelewsk­i und seinem Team beraten. „Wir gehen konkret auf das ein, was der Teilnehmer studieren will, aber auch auf dessen Persönlich­keit“, sagt Modzelewsk­i. „Wer Innenarchi­tektur studieren will, braucht nicht wie jemand, der Kunst studieren möchte, Füße zeichnen.“In jedem Kurs sind etwa zwölf Teilnehmer mit ganz unterschie­dlichen Studienwün­schen. Besonders gefragte Studiengän­ge sind momentan nach Angaben von Modzelewsk­i Architektu­r, Produktund Kommunikat­ionsdesign.

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In der ehemaligen Zeche Lothringen lernen zukünftige Studenten in einem Mappenkurs Zeichnen und Gestalten.

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