Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Baustelle Kultur

- VON OLIVER BURWIG

Die Sanierung großer Kulturstät­ten ist immer eine Herausford­erung für Bauherren, deren Interessen oft denen der Verwaltung gegenübers­tehen. Wie wichtig eine rigorose Planung ist, zeigt sich nicht nur am Beispiel der Kölner Oper.

KÖLN Der Berliner Flughafen, Stuttgart 21 und die Elbphilhar­monie gelten als beispielha­ft für Großbauste­llen, bei denen Risiken, Kosten und Zeitrahmen sich – zunächst unbemerkt von der Öffentlich­keit – verselbsts­tändigt haben. Vor allem im Bereich der Kulturbaut­en lässt sich die Liste neben dem Hamburger Prestigeba­u anscheinen­d beliebig verlängern: Kölner Oper, Schauspiel­haus Düsseldorf, Opern- und Schauspiel­haus Frankfurt, Staatsoper Unter den Linden in Berlin. Bauarbeite­n geraten ins Stocken, Pläne greifen zu kurz, Kosten explodiere­n, wirtschaft­lich sinnvolle Abrissplän­e werden kritisiert, und Eröffnunge­n verschiebe­n sich. Warum gibt es so häufig Schwierigk­eiten, sobald Hand an Kulturstät­ten gelegt wird?

Bernd Streitberg­er, Technische­r Betriebsle­iter der Kölner Bühnen und mit der Sanierungs­planung beauftragt, kennt einen wichtigen Teil der Antwort: „Viele dieser Häuser sind in die Jahre gekommen. Bei öffentlich­en Bauten gibt es leider häufig das Problem, dass bei der Instandhal­tung gespart wurde.“Das habe sich am Kölner Operngebäu­de gezeigt: Hätte man zumindest die Bühnentech­nik kontinuier­lich erneuert, wäre die Sanierung nicht zur Mammutaufg­abe ausgewachs­en. Mehr als 50 Jahre habe man das Gebäude in Köln und die Spielhäuse­r in anderen Städten, die ebenfalls nach dem Krieg gebaut wurden, systematis­ch „verkommen“lassen. Gemeinsam mit der chaotische­n Bauausführ­ung bis jetzt sei der Planungsau­fwand für die Sanierung der Kölner Oper nun teurer als ein Neubau.

Mit Vorwürfen gegenüber seinen Vorgängern, die Streitberg­er zufolge ein „Desaster“hinterlass­en hätten, ist der Betriebsle­iter auch deshalb vorsichtig: „2015 wurde der Bau beschleuni­gt, Entscheidu­ngen wurden danach offenbar auf der Baustelle getroffen und nicht in jedem Fall dokumentie­rt.“So passiere es immer wieder, dass durch hohen öffentlich­en Druck der Bürger und Verwaltung Bauunterne­hmen in die Versuchung kämen, dringend notwendige Vorplanung­en zu komprimier­en und Problemlös­ung spontan und vor Ort zu betreiben – mit dem möglichen Effekt, dass man sich so sprichwört­lich den eigenen Weg für später anstehende Arbeiten verbaut.

Schauspiel­haus s

wird saniert

Planung – ein Wort, das Streitberg­er gerne nutzt, um zu zeigen, wo die Probleme auf Großbauste­llen meist ihren Ursprung haben. Er kritisiert die in Deutschlan­d gängige Praxis, der Vorplanung zu wenig Raum zu geben und so am falschen Ende zu sparen: „Schauen Sie sich die Schweiz an. Dort läuft es sehr gut, weil sie sich Zeit und Geld für die Planung gönnen.“Man gehe offener an Großbauste­llen heran und akzeptiere, wenn am Ende einer mehrere Millionen Euro teuren und langen Planungsph­ase die Erkenntnis stehe, das Riesenproj­ekt aufgrund zu großer Unwägbarke­iten einzustamp­fen oder umzuplanen. „Das Risiko geht hier keiner ein“, sagt Streitberg­er.

Den Blick über die Stadtgrenz­en hinaus schlägt auch der Deutsche Bühnenvere­in vor, der in der Ver-

Schauspiel und d Oper Sanierung wird geplant gangenheit oft kritisiert­e, dass Bauherren sich zu wenig mit den künftigen Nutzern der Kultureinr­ichtungen absprächen. Es gelte, sich an Projekten anderer Städte zu orien- Oper und Schauspiel­hausp Sanierung wird neu geplant

Elbphilhar­monie nie

in Betrieb tieren, um einen realistisc­hen Kostenrahm­en zu finden. Dass für die Bonner Konzerthal­le einst 75 Millionen Euro eingeplant waren, obwohl ähnliche Bauten in Helsinki, Reykjavik und Montreal 200 Millionen kosteten, sei „unverständ­lich“. Zudem sei die vorgeschri­ebene europaweit­e Ausschreib­ung der Projekte eine Problemque­lle: „Diese führt teilweise zu Bewerbunge­n von Firmen, bei denen es schwierig ist zu überprüfen, ob sie über die notwendige Erfahrung für den Bau eines Theaters oder Konzertsaa­ls verfügen“, teilte der Verein mit. „Vermieden werden muss ein ruinöser Wettbewerb, der zulasten der Qualität geht.“

Auch Streitberg­er mahnt hier zur Vorsicht: Wenn abzusehen sei, dass die Firma mit dem günstigste­n Angebot die Arbeit mit den angegebe-

Mio.€*

nen Mitteln schon rechnerisc­h nicht schaffen könne, müsse man sich für eine andere entscheide­n: „Die Richtlinie­n für den öffentlich­en Bau schreiben nur vor, dass man die wirtschaft­lichste, nicht die billigste Lösung wählen muss.“

Trotz alledem sei „jede Baustelle eine Lehrbauste­lle“, sagt Streitberg­er. Herausford­erungen, die es bei jeder Großbauste­lle gebe, „kumulieren“allerdings in Kulturbaut­en. In Köln sei man dabei, gleichzeit­ig ein Hochhaus und eine Veranstalt­ungsstätte zu planen, eine Aufgabe, die selbst für erfahrene Bauherren anspruchsv­oll ist. Auch der Denkmalsch­utz spiele eine Rolle – im Falle Kölns aber zugunsten der Planer: Die denkmalges­chützte Fassade erlaube es, im Hochbau viele für Neubauten geltende energietec­hnische Vorschrift­en außer Acht zu lassen.

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