Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein Staat, der versagt

- VON MICHAEL BRÖCKER

Nach der Kölner Silvestern­acht nun die Hamburger Gipfelnäch­te. Wieder lässt der Staat die Bürger mit Kriminelle­n alleine. Wieder berichten verängstig­te Menschen von Exzessen und nie da gewesener Gewalt. Erneut fällt der Begriff der „rechtsfrei­en Räume“. Das lädierte Vertrauen in den Rechtsstaa­t wird weiter erschütter­t. Und was passiert danach? Die üblichen Rituale des Verharmlos­ens und Vertuschen­s. Wieder stufen politisch Verantwort­liche die dramatisch­en Ereignisse als nicht vorhersehb­ar ein. Wieder kochen Politiker ihre ideologisc­hen Süppchen, argumentie­ren strikt aus ihrem Partei-Tunnel heraus und werfen selbstvers­tändlich dem jeweils anderen vor, ideologisc­h zu argumentie­ren.

Der weitgehend entpolitis­ierte Bürger, der sich nach Sicherheit vor seiner Tür sehnt, schaut entgeister­t zu. Und wieder einmal wird es kaum strafrecht­liche Konsequenz­en geben. 37 Haftbefehl­e. Bei rund 1500 gewalttäti­gen Linksauton­omen. Ist das nachträgli­che Deeskalati­on oder schlicht Unvermögen? Staatsvers­agen bei der Sicherheit. Was für ein Preis für einen zweifelhaf­ten Gipfel mit minimalen politische­n Ergebnisse­n.

Besonders dreist, wie sich das linke Lager aus der Affäre ziehen will und die abstruse These verbreitet, dass die Gewalttäte­r mit linken Positionen ja nun gar nichts zu tun hätten. Ach wirklich? Auf den einschlägi­gen Internetse­iten, auf den Flugblätte­rn, auf den TShirts („Fuck the Police“) der Schläger konnte jedermann nachlesen, womit sich die Szene identifizi­ert. Hass gegen die Eliten. Gegen das Kapital. Gegen die „Bonzen“. Schon Wochen vor dem Treffen der Mächtigen hatten führende Vertreter der linksextre­men Szene angekündig­t, den G20-Gipfel zu stürmen. Die ganze Perfidie der linken Ideologie kulminiert­e in der Aussage eines Anwalts der Roten Flora, der nach den Krawallen im Schanzenvi­ertel erklärte, die Chaoten hätten leider die falschen Viertel angegriffe­n. Die Verachtung von Eigentum und Rechtsstaa­t ist die DNA dieser Hooligans. Und zu viele im linken Lager schützen die Gewaltbere­itesten unter ihnen. In einem Positionsp­apier von 2011 solidarisi­erte sich die Rote Flora mit den „autonomen Kapuzenträ­gern“.

Ist der Staat auf dem linken Auge blind, lautet nun die vielfach gestellte Frage. Und nur weil sie auch im rechtsnati­onalen Lager erhoben wird, ist sie nicht falsch. Es gibt einen breiten politisch-gesellscha­ftlichen Konsens, dass links eher die harmlosen Extremiste­n zu verorten sind. Was für ein Trugschlus­s! abei ist die Analyse ziemlich einfach. Wenn sich ein islamistis­cher Attentäter auf Allah beruft, müssen wir über den Islam reden. Wenn Rechtsextr­emismus grassiert und widerwärti­ge Angriffe auf Asylheime an der Tagesordnu­ng sind, müssen wir über rechte Hetze reden, auch von denen, die dafür den Boden bereiten wie Pegida und manche AfD-Funktionär­e. Wenn nun kapitalism­us-kritische Chaoten mit Stahlkugel­n, Holzlatten und Pflasterst­einen auf Polizisten losgehen und Stadtteile verwüsten, sollen wir nicht über Terror von links reden? Drei Jahre, nachdem die damals zuständige SPD-Ministerin Manuela Schwesig Linksextre­mismus als „aufgebausc­htes Problem“verniedlic­ht hat, wird es Zeit für einen internatio­nalen Pakt gegen den organisier­ten Linksterro­rismus. Dass sich die Gewalt der Autonomen „nur“gegen Sachen richte, ist spätestens seit Hamburg eine Schimäre. Endgültig widerlegt. Und außerdem: Auch Gewalt gegen Sachen ist nicht tolerierba­r.

Es war SPD-Außenminis­ter Sigmar Gabriel, leider nicht die Kanzlerin, der die richtigen Worte fand. Er setzte die Täter mit Neonazis gleich und sprach ungewohnt offen von bürgerkrie­gsähnliche­n Zuständen. So haben es die Anwohner erlebt. Und Gabriel fordert eine schnelle europaweit­e Fahndung nach den Tätern. Alles richtig! Hoffentlic­h macht auch Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz, der im Vorfeld die Sicherheit der Bürger garantiert­e, aber offensicht­lich die Bürger mit Staatsamt meinte, dann eine bessere Figur.

Die juristisch­e Aufarbeitu­ng der Ereignisse hat also gerade erst begonnen. Die Arbeit an der Wiederhers­tellung des Vertrauens der Bürger in den Rechtsstaa­t wird noch viel länger dauern.

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