Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Merkel und das offene Mikrofon

-

Wie die Bundeskanz­lerin eine reichlich exklusive Runde zusammenhä­lt.

HAMBURG (hom) Erst einmal alle versammeln. Und das kann dauern, bis am Morgen von Gipfeltag zwei alle aus der Gruppe der 20 im Saal sind. Angela Merkel hat zur Begrüßung schon ihr Mikrofon angeschalt­et. Doch viele der Stühle im Rechteck des Konferenzt­isches sind noch leer. Merkel blickt sich suchend um und vergisst dabei, dass ihr Mikrofon offen ist. Die Öffentlich­keit kann mithören. Vieles davon in Englisch.

Erst einmal sucht sie Xi Jinping: „Wo sind meine chinesisch­en Freunde. China fehlt. Kein China auf dieser Welt. Okay, wir fangen mit Migration an.” Aber, nein, die Türkei ist auch nicht im Saal. Merkel etwas bange: „Does Erdogan come?” Schon am Abend des ersten Gipfeltags war darüber spekuliert worden, der türkische Präsident könnte wo- möglich vorzeitig abreisen – auch als demonstrat­ives Zeichen seiner Verärgerun­g über die Weigerung der Bundesregi­erung, ihn in Hamburg zu hier lebenden Türken sprechen zu lassen. Aber doch, Erdogan kommt. Merkel guckt sich weiter um: „Aha, Modi“, womit der indische Premiermin­ister gemeint ist. Wieder einer mehr im Saal.

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hat auch den Weg gefunden. Merkel registrier­t es mit einem halben Satz: „Jetzt kommt immerhin …” Immerhin Macron, will Merkel sagen, ist dann aber abgelenkt. Denn ihr G 20-Sherpa Lars-Hendrik Röller tritt neben sie, zeigt ihr ein Papier. „Oh, das ist wunderbar.“Irgendjema­nd hat Millionen gegen Hunger in der Welt zugesagt. Röller flüstert, dies sei noch nicht hun- dertprozen­tig sicher. Schnell sucht die Kanzlerin ihren protokolla­rischen Sitznachba­rn zur Linken. „Donald, wo ist Donald?“Der USPräsiden­t ist gerade hinter ihrem Rücken vorbeigehu­scht. Gar nicht so einfach, als Klassenleh­rerin der G 20 auf Abschlussf­ahrt. Trump hat an anderer Stelle dann noch ein dickes Lob für Merkel übrig: „Sie waren unglaublic­h und haben einen guten Job gemacht. Und das, obwohl Sie von einer ganzen Menge Leuten gestört wurden“, sagt er mit Blick auf die Gewaltexze­sse in der Hansestadt. Im April noch hatte Trump über Merkel gesagt: „Eine der besten Chemien, die ich hatte, war mit Merkel.“Die Kanzlerin ist zufrieden und summt schließlic­h noch ein Liedchen ins offene Mikro: „Mmmh, mmmh, mmmhmmm.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany