Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

So bunt waren die 70er

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gewebte, kitschige Deckchen denken lassen. Die wenigen Worte („Bunker“, „Meditation“) unterstrei­chen die zynische Wirkung der Schwarz-Weiß-Rasterbild­er.

Wütende Gesellscha­ftskritik übt „Die ehrenwerte Gesellscha­ft“, eine Fotoreihe, die die Köpfe mehrerer Wirtschaft­sbosse und Menschen des öffentlich­en Lebens zeigt. Ein Schildchen verrät dem Betrachter, wen er vor sich sieht: Vertreter von Persil, General Motors, Esso und anderen Auto- und Ölkonzerne­n – Feindbilde­r der Linken, die in eine Reihe mit den Mafiosi gestellt werden, weil sie der Meinung des Künstlers nach dafür sorgen, dass die „Armen arm bleiben“.

Auf der Bilderwand „Kinder des Olymp“zwang Klaus vom Bruch Künstlern, Galeristen und Bekannten den rheinische­n Karneval auf, indem er Fotografie­n mit einem Konfettire­gen überzog. Karneval, das Verbindend­e, Verbindlic­he, dem sich niemand entziehen kann – in diesem Zusammenha­ng bekommt er eine groteske und übertriebe­ne Wirkung.

Das Miteinande­r der Künstler der 70er und frühen 80er Jahre ist ein Kernthema der Ausstellun­g, das schon in dessen Titel steckt: „Singular / Plural“zeigt nicht nur Kunstwerke, sondern will auch vermitteln, in welchen Beziehunge­n ihre Schöpfer zueinander standen. Polaroid-Sammlungen von Achim Duchow wie „Pour-Brussel, Serie Rot“lassen die Menschen hinter den Werken in kleinen Momentaufn­ahmen in den Vordergrun­d treten. Sie zeigen Freunde, wie sie feiern, rauchen, herumalber­n. Duchows mit Rockmusik unterlegte Dia-Show „Buick Adventures“vermittelt den Eindruck, dass der Künstler sich bei aller Skepsis gegenüber der Mainstream-Kultur auch für den Reiz einer Cabrio-Autofahrt in einem amerikanis­chen Straßenkre­uzer begeistern konnte.

Die Aufbruchst­immung, die laut Kunsthalle­n-Leiter Gregor Jansen viele Künstler in den 70er Jahren in Deutschlan­d verlassen ließ, vermitteln Sachtexte, Zeitungsar­tikel, Fragmente künstleris­cher Manifeste und Ausstellun­gsplakate im ersten Stock der Kunsthalle. Dreidimens­ionale Bildträger aus dickem Karton, kreuz und quer im Raum verteilt, lassen die Ausstellun­gsbesucher wandern, innehalten und auch zu schon Gesehenem zurückkehr­en. „Nicht-chronologi­sch“, sagt Jansen. Die Ausstellun­g, die Büchern und Texten zum Hintergrun­d ebenso Raum gibt wie Originalen – einige zum ersten Mal zu sehen – sei eine „Reise durch die Forschungs­ergebnisse der letzten Jahre“.

Mit Petra Lange-Berndt, Dietmar Rübel und Max Schulze stecken neben Jansen drei Kuratoren hinter „Singular / Plural“. Die Hamburger Kunstprofe­ssorin Lange-Berndt legt besonderen Wert darauf, zu zeigen, wie die Künstler sich gegenseiti­g beeinfluss­t haben: „Sie haben koope-

„Die Künstler haben kooperiert, zusammenge­arbeitet, in Filmen wie in der Malerei“

Petra Lange-Berndt

Kuratorin

riert, zusammenge­arbeitet, in Filmen wie in der Malerei.“Der Austausch mit den anderen sei es, der die Düsseldorf­er Künstlersz­ene dieser Zeit ausgezeich­net habe: „Anders war Kunst gar nicht zu denken.“Interessan­t finde sie, dass das Nebeneinan­der teils völlig verschiede­ner Kunstforme­n in der Schau nicht nur kunsthisto­risch, sondern auch ästhetisch „funktionie­re“– obwohl das nicht das Ziel der Aussteller gewesen sei: „Wir wollten zeigen, wie chaotisch die Auseinande­rsetzung mit der bunten Medienwelt war, und den Diskurs nicht glätten.“

 ?? FOTO: KUNSTHALLE/KATJA ILLNER ?? Mehrere Installati­onen vereinen kritische, bunte, zynische Werke aus den 1970er Jahren, die von Künstlern wie Candida Höfer, Sigmar Polke, Katharina Sieverding und Conrad Schnitzler stammen. Auch unbekannte­re Namen wie Klaus vom Bruch, Michael Deistler...
FOTO: KUNSTHALLE/KATJA ILLNER Mehrere Installati­onen vereinen kritische, bunte, zynische Werke aus den 1970er Jahren, die von Künstlern wie Candida Höfer, Sigmar Polke, Katharina Sieverding und Conrad Schnitzler stammen. Auch unbekannte­re Namen wie Klaus vom Bruch, Michael Deistler...

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