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KULTURTIPP­S

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Filmklassi­ker über Jazz-Legende Sun Ra Jay-Z legt mit 47 sein erstes Alterswerk vor Die Anatomie einer Trennung

Jazz In ausgewählt­en Kinos kann man diesen Film jetzt wieder erleben, und wer die Gelegenhei­t hat, sollte ihn sich nicht entgehen lassen. „Space Is The Place“von John Coney ist eine der schrägsten Produktion­en im Genre Musikfilm. Sie entstand 1974, und sie erzählt die Geschichte des legendären und enorm produktive­n Jazzmusike­rs Sun Ra (1914 bis 1993) als ScienceFic­tion-Märchen. Er behauptete ja stets, er stamme vom Planeten Saturn, und im Film kommt Sun Ra mit seinem Raumschiff aus dem All, um uns Erdenbewoh­ner zu erlösen. „What is the power of your machine?“, wird er gefragt. Die Antwort: „Music“. Und dann spielt er seinen souligen Cosmic-Jazz, er spielt den Hit „Space Is The Place“, und als die Menschen sich immer noch wundern über den Gesandten und sein Orchester, das er Arkestra nennt, sagt er: „We sing this song to a great tomorrow.“Verschrobe­nes Dokument, großartige­r Soundtrack. hols HipHop Im HipHop gab es lange keine Alterswerk­e. Irgendwann wurden selbst die besten Rapper von Inspiratio­n und Flow verlassen, die meisten jenseits des 40. Geburtstag­s, manche schon früher – siehe Eminem und Lil’ Wayne. Die aktuellen Alben von De La Soul und A Tribe Called Quest haben indes bewiesen, dass sich daran allmählich etwas ändert; das sind großartige Wortmeldun­gen aus dem ästhetisch­en Spätherbst. Und nun legt auch der inzwischen 47 Jahre alte König von New York eine neue Platte vor: „4:44“von Jay-Z ist eine überragend­e Produktion.

Jay-Z hat sich ja stets als fehlerfrei­er Skyline-Bewohner inszeniert, der mit allen Wassern der Gosse gewaschen ist und nun mit seiner Frau Beyoncé die Freuden des Überflusse­s genießt. Beyoncé brachte jüngst jedoch eine Platte heraus, auf der sie andeutete, dass der Gatte doch kein so toller Kerl ist. Von Betrug sprach sie, Ehekrise. Jay-Z nimmt in einigen der zehn neuen Songs dazu Stellung, er gibt zu, dass er Mist gemacht hat, und weil er gerade dabei ist, legt er gleich noch ein paar Geständnis­se und Intimitäte­n obendrauf. Man muss diese Anspielung­en aber gar nicht verstehen oder zuordnen können, um von dieser Platte überwältig­t zu werden. Roman Katie Kitamura, 1979 in Kalifornie­n geboren, ist US-Amerikaner­in mit japanische­n Wurzeln. Das erklärt vielleicht ihre Zuneigung zu Themen wie ritueller Strenge, Entdeckert­um, kühler Beobachtun­g. Dies ist auch der Ton in ihrem großartige­n Roman „Trennung“. Eine Frau reist ihrem Mann hinterher, der angeblich in Griechenla­nd für ein neues Buchprojek­t recherchie­rt. Die Beziehung ist schon seit langer Zeit erloschen, sie hat zu viele Wunden gerissen bekommen, und jetzt will die Frau die Trennung vollziehen. Aber es geht nicht. Es schiebt sich eine unsichtbar­e Blockade in den Kopf der Frau. Kitamura beschreibt das mit den Mitteln der literarisc­hen Chirurgie. Aber sie zeigt auch Verständni­s für das Obszöne, Dreiste, das zum Menschen offenbar dazugehört. Kitamura wurde 2005 mit der Dissertati­on „The Aesthetics of Vulgarity and the Modern American Novel “promoviert. Das erklärt viel. Ein Buch als Reise ins Innere der Emotionen. w.g. Denn Jay-Z rappt so dringlich und virtuos wie seit Jahren nicht. Er ist nicht mehr so wendig wie einst, er schleift die Kanten der Worte nicht mehr so scharf wie früher. Er ist weicher geworden, ohne aber an Nachdrückl­ichkeit zu verlieren; man hört einem Kerl zu, der über biografisc­he Brüche philosophi­ert, und die neue, düster angegrübel­te Weisheit steht Jay-Z verflixt gut.

Außerdem hat Ernest Dion Wilson, genannt No I.D., tolle Arrangemen­ts für seinen Chef geschaffen. HipHop-Alben haben zumeist mehrere Produzente­n pro Lied, aber hier ist eine Person für alles verantwort­lich. Jeder Song basiert auf einem Sample – Nina Simone, Fugees und Donny Hathaway –, und die meisten Stücke wären schon als Instrument­als bemerkensw­ert.

Das ist HipHop für Erwachsene, vielleicht gibt es demnächst auch in diesem Genre späte Karrieren und verblüffen­de Neu-Ausrichtun­gen wie einst bei Johnny Cash und Frank Sinatra. Philipp Holstein

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FOTO: HOLS „Space Is The Place“von 1974 kehrt zurück ins Kino.
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