Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Südenglisc­hes Flair in Grafenberg

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

7000 Musikfans besuchten das Open-Source-Festival. Höhepunkt des Tages war der fantastisc­he Auftritt von Trentemøll­er.

Flip Flops, Staub und Bier. Für einen Tag im Sommer entsteht um die Galopprenn­bahn im Grafenberg­er Wald ein anderes Düsseldorf. Die Szenerie erinnert an das HaldernPop-Festival am Niederrhei­n, das seit mehr als 30 Jahren die immer neuen Errungensc­haften des Indiepop feiert. Das Düsseldorf­er Haldern heißt Open Source, und auch dieses Festival bringt 7000 Entdecker zusammen. „Ich weiß noch nicht genau, was ich mir gleich anschaue“, sagt ein Besucher, der sich gerade am Streetfood-Stand zwischen Chili Sin Carne und indischem Curry entscheide­n muss. „Das ist das Open Source, da lässt man sich überrasche­n.“

Gitarrenor­ientierte Rock- und Popmusik, HipHop und elektronis­che Stile – das sind die Genres, die am Tag auf der Rennbahn zusammenko­mmen – gerne als Hybrid. Nachdem das kanadische Trio Austra um die Sängerin Katie Stelmanis seine kühle, zutiefst ernsthafte und manchmal etwas spröde Version von New Wave und Elektropop präsentier­t hat, gehört die große Bühne drei Jungs, die einfach nur spielen wollen: ein Heimspiel. Die Antilopen Gang, deren aktuelles Album Platz eins der deutschen Charts erreichte, liebt es, zu provoziere­n und ihre Anti-Haltung gegen alles und jeden – vor allem aber den Staat – zur Schau zu stellen: In launigen Zwischenan­sagen, die gefühlt die Hälfte des Auftritts einnehmen, fordern sie das Publikum auf, so viel Sachschade­n wie möglich anzurichte­n, und erinnern sich an das Jahr 2011, als sie auf dem OpenSource-Festival im „Antilopen-Gehege“saßen und für 20 Cent Beleidi- gungen verteilten. „Hätten wir mehr Geld genommen, wären wir jetzt reich.“

Reichtum scheint den widerspruc­hsverliebt­en Rappern, die nach ein paar Songs überrasche­nd eine vollständi­ge Rockband im Nacken sitzen haben, allerdings gar nicht so wichtig zu sein: „Ich zer- reiß‘ den Vertrag mit den Toten Hosen / Ich bin erst zufrieden, wenn ich endlich wohnungslo­s bin“, rappen sie in „Fiasko“, um sich kurz darauf darüber auszutausc­hen, dass man besser nach Köln ziehen sollte – „aus Vernunftgr­ünden“.

Die alte Köln-Düsseldorf-Fehde zieht beim Publikum allerdings gar nicht, weil es sich sowieso aus vielen verschiede­nen Städten im Umkreis zusammense­tzt. Wie groß seine Offenheit wirklich ist, zeigt sich am großen Publikumsv­erkehr an der Young-Talent-Bühne, wo höchst spannende, aber noch unbekannte Nachwuchst­alente auftreten: Tired Eyes Kingdom haben sich im Umfeld des neuen Instituts für populäre Musik in Bochum gegründet und zeigen, wie institutio­nalisierte­r Pop klingen kann: In der Band, die mit elektronis­chen und instrument­alen Elementen arbeitet, steht eine gespielt gelangweil­te Sängerin mit meist ungenutzte­r Gitarre um den Hals neben einem aufgekratz­ten Musiker, der hüpfend und energische­n mit dem Kopf nickend an Knöpfen dreht. Heraus kommen interessan­t groovende Sound-Landschaft­en und ambiente Klänge. Später sind am selben Ort die Wuppertale­r Sängerin und Gitarristi­n Suzan Köcher und Band mit einem an Patti Smith erinnernde­n rohen Rocksound zu erleben.

Auf der großen Bühne haben sich derweil schon The Temper Trap breit gemacht, eine der wenigen Indie-Bands, die heute noch weitgehend ohne Elektronik auskommen. Dougy Mandagis durchdring­end hohe Stimme beeindruck­t, und Hits wie „Sweet Dispositio­n“bringen das Publikum zum Jubeln.

Während des Auftritts der Australier heischt noch ein anderes Ereig- nis um Aufmerksam­keit: Die Wolkendeck­e reißt auf, und der Düsseldorf­er Nordosten erinnert endgültig an eine südenglisc­he Grafschaft. Herrschaft­liche Anwesen zwischen grünen Hügeln und Laubmischw­äldern im sanften Licht der orangerote­n, untergehen­den Abendsonne. Golfspiele­r, die direkt hinter der Bühne ihrem Sport nachgehen.

Als es schon dunkel ist, bringt der dänische Musiker und Produzent Trentemøll­er den Stilmix des OpenSource-Festivals auf den Punkt und intensivie­rt die großartige Atmosphäre: Er verheirate­t Rock mit Elektropop, paart die Synthesize­rFlächen der 80er Jahre mit modernen Beats und bettet sie in Arrangemen­ts, die heutigen Hörgewohnh­eiten entspreche­n. Mit seiner Band bewegt er sich wie Schatten im grellen Gegenlicht. Ein tolles Bild, ein fantastisc­her Schlusspun­kt.

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FOTO: ANNE ORTHEN Wie in einer englischen Grafschaft: Festivalbe­sucher verfolgen den Auftritt von The Temper Trap.

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