Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Maisonette statt morscher Speicher

- VON UTE RASCH UND ANDREAS ENDERMANN (FOTOS)

In einem Gründerzei­thaus in Oberkassel hat die Vergangenh­eit mit Stuck und Terrazzobö­den noch ihren Platz.

Großbürger­lich sollte der neue Stadtteil sein, geprägt vom opulenten Stil der Gründerjah­re, gesegnet mit guter Luft, der Nähe zum Rhein und einem breiten Boulevard: An einem Sommertag des Jahres 1909 rollten Kutschen und die neuen Automobile zum ersten Mal über die Luegallee in Oberkassel. Fünf Jahre später wurden dort Soldaten, die an die Front geschickt wurden, mit Tamtam und Tränen verabschie­det. In jenem Jahr 1914 kaufte ein Oberkassel­er Schuhmache­rmeister ein Haus in der Cheruskers­traße, mit Blick auf die prächtige neue Allee – und besohlte in seiner Werkstatt im Hinterhof die Schuhe des Viertels. Heute gehört seinen drei Enkelsöhne­n dieses Haus, das die Vergangenh­eit mit der Moderne verknüpft.

Terrazzobö­den im Treppenhau­s, gedrechsel­tes Geländer, hölzerner Handlauf – alles Original. „Das haben wir selbstvers­tändlich so gelassen, als wir das Haus saniert haben“, meint einer der heutigen Besitzer. Auch die Fassade blieb so stuckversc­hönt wie sie immer war, wechselte lediglich von Himmelblau zu Silbergrau. Doch wo einst auf halber Treppe die Toiletten waren, sind nun Abstellkam­mern. Und ein Detail wurde radikal verändert: Die Dachgaube in der dritten Etage war aus der Achse gerückt, was die rechte Haushälfte merkwürdig betonte. „Diese Asymmetrie haben wir aufgehoben,“erläutert die Kölner Architekti­n Maria Nagy, Spezialist­in für Altbausani­erung. Nun sitzt die Gaube wieder exakt in der Mitte, und ihr großes Fenster weckt Neugierde: Was verbirgt sich wohl dahinter? Ein Schmuckstü­ck.

Wo früher eine Wohnung mit vier kleinen Zimmern war und darüber ein ungenutzte­r Speicher mit morschen Holzbalken, entstand während der Sanierungs­arbeiten ein lichter Maisonette­traum. Fotos zei- gen die abenteuerl­ichen Bauarbeite­n: Während eines einzigen Tages im Sommer vergangene­n Jahres wurde der komplette alte Dachstuhl abmontiert und die neuen Balken eingezogen. „Ich habe ständig zum Himmel geguckt, ob es nicht regnet“, erinnert sich der Eigentümer. Der Regen kam tatsächlic­h, aber erst nachdem das neue, noch offene Dach mit Kunststoff­folien wasserdich­t verhüllt war. Glück gehabt.

Damit die neue Wohnung mit einer offenen Galerie entstehen konnte, musste – so die Idee der Architekti­n – der Dachfirst um einen Meter angehoben werden, „sonst

 ??  ?? Wohnen mit Durchblick: Wo früher vier kleine Zimmer waren, entstand bei der Sanierung ein großer Raum mit offener Galerie: viel Platz für ein junges Paar.
Wohnen mit Durchblick: Wo früher vier kleine Zimmer waren, entstand bei der Sanierung ein großer Raum mit offener Galerie: viel Platz für ein junges Paar.

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