Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Die Inklusion ist eine Schnecke
Günter Grass waren Utopien suspekt. Der Denker hinter dem Kanzler Willy Brandt war der Auffassung, dass es die Schnecke sei, die den Fortschritt symbolisiere. Die Schnecke kriecht so langsam, dass ihr wahrlich nichts Umstürzendes anhaftet. Als eine Utopie jüngerer Zeit darf die Inklusion gelten: Dass alle Schüler mit Förderbedarf eine Regelschule besuchen, wird so schnell nicht Realität werden. Das liegt daran, dass die Bundesländer dieses Vorhaben mit unterschiedlichem Verve vorantreiben. Man würde sich ein bisschen mehr Mut und Sinn zur Realität wünschen. Gewiss, Inklusion ist ein kompliziertes Feld, die Gemüter erhitzen sich hier schneller als an anderer Stelle. Bildungspolitik landet als Gesprächsstoff an den Küchentischen der meisten Familien. Schulkinder bringen Erfahrungen mit; sie wissen, wo es gut läuft und wo nicht. Die reine Inklusionsquote ist bloß ein politischer Motivationsindikator. Dieser belegt, welchen Stellenwert eine Regierung dem Thema beimisst. Gleichwohl geht es bei der Inklusion nicht um Geschwindigkeit. Sie muss sinnvoll und planvoll sein. Vor allem aber muss sie den betroffenen Schülern helfen. Die Inklusion ist eine Schnecke. Und das ist auch ganz gut so. BERICHT BREMEN IST INKLUSIONS-MEISTER, TITELSEITE
Ehrlichkeit im Revier
Der Ausstieg aus der Braunkohle war lange ein Tabu bei Union und SPD. Zu viele Arbeitsplätze hingen an ihr, zu viele Wähler. Doch nun spricht die Kanzlerin das Unsagbare aus: „Und dann kann man auch den Ausstieg ins Auge fassen.“Tatsächlich kann Deutschland Merkels Klimaziele nur erreichen, wenn es mittelfristig die BraunkohleVerstromung beendet. Mit RWE als größtem Kohlendioxid-Emittenten Europas ist Klimaschutz schwer zu machen. Das akzeptieren RWE und Gewerkschaften inzwischen umso leichter, als sich BraunkohleStrom auch wirtschaftlich kaum noch lohnt. Ihr Kampf dreht sich längst um andere Kohle – um Milliarden-Hilfe für den Strukturwandel. Es ist Zeit, einen mittelfristigen Ausstieg nach dem Vorbild der Steinkohle zu vereinbaren. Bürger, Belegschaften und Betriebe im rheinischen Revier brauchen Planungssicherheit. Die Politik darf das Thema auch nicht gewalttätigen Aktivisten überlassen, mit denen die Grünen sympathisieren. Zugleich darf es kein Geschäft zu Lasten Dritter geben: Merkel sollte sich hüten, Stromkunden den Ausstieg bezahlen zu lassen. BERICHT NRW UNTERSTÜTZT MERKELS PLÄNE, TITELSEITE
Das Brexit-Debakel
Das Nein der Briten zur EU wird einmal als Beispiel für eine völlig missglückte Volksabstimmung in die Geschichtsbücher eingehen. Es hat nicht nur die Nation gespalten und die EU aus dem Gleichgewicht gebracht, sondern noch nicht einmal die Frage der Position Großbritanniens zu Europa ein für alle Mal geklärt.
Das zeigt sich auch am desaströsen Auftritt des britischen Verhandlungsteams. Ohne klares Mandat, ohne Vorbereitung, ohne Strategie schlittern die Vertreter des Königreichs in die Brexit-Gespräche. Mal ist vom harten, mal vom weichen Brexit die Rede. Mal ist die Freizügigkeit der Arbeitskräfte verhandelbar, mal das K.O.-Kriterium. Selbst wenn die ökonomischen Folgen zunächst gar nicht so schlimm aussahen, könnten sie sich durch den Dilettantismus der Regierung noch zum Debakel ausweiten.
Den Europäern kann das nicht recht sein. Vor allem Deutschland braucht ein starkes Großbritannien, wenn der Prozess der Scheidung beherrschbar bleiben soll. Denn wirtschaftlich, kulturell und technologisch sind die Briten als Partner unverzichtbar. BERICHT BREXIT-POKER GEHT IN DIE HEISSE ..., TITELSEITE