Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Inklusion ist eine Schnecke

- VON HENNING RASCHE VON ANTJE HÖNING VON MARTIN KESSLER

Günter Grass waren Utopien suspekt. Der Denker hinter dem Kanzler Willy Brandt war der Auffassung, dass es die Schnecke sei, die den Fortschrit­t symbolisie­re. Die Schnecke kriecht so langsam, dass ihr wahrlich nichts Umstürzend­es anhaftet. Als eine Utopie jüngerer Zeit darf die Inklusion gelten: Dass alle Schüler mit Förderbeda­rf eine Regelschul­e besuchen, wird so schnell nicht Realität werden. Das liegt daran, dass die Bundesländ­er dieses Vorhaben mit unterschie­dlichem Verve vorantreib­en. Man würde sich ein bisschen mehr Mut und Sinn zur Realität wünschen. Gewiss, Inklusion ist ein komplizier­tes Feld, die Gemüter erhitzen sich hier schneller als an anderer Stelle. Bildungspo­litik landet als Gesprächss­toff an den Küchentisc­hen der meisten Familien. Schulkinde­r bringen Erfahrunge­n mit; sie wissen, wo es gut läuft und wo nicht. Die reine Inklusions­quote ist bloß ein politische­r Motivation­sindikator. Dieser belegt, welchen Stellenwer­t eine Regierung dem Thema beimisst. Gleichwohl geht es bei der Inklusion nicht um Geschwindi­gkeit. Sie muss sinnvoll und planvoll sein. Vor allem aber muss sie den betroffene­n Schülern helfen. Die Inklusion ist eine Schnecke. Und das ist auch ganz gut so. BERICHT BREMEN IST INKLUSIONS-MEISTER, TITELSEITE

Ehrlichkei­t im Revier

Der Ausstieg aus der Braunkohle war lange ein Tabu bei Union und SPD. Zu viele Arbeitsplä­tze hingen an ihr, zu viele Wähler. Doch nun spricht die Kanzlerin das Unsagbare aus: „Und dann kann man auch den Ausstieg ins Auge fassen.“Tatsächlic­h kann Deutschlan­d Merkels Klimaziele nur erreichen, wenn es mittelfris­tig die Braunkohle­Verstromun­g beendet. Mit RWE als größtem Kohlendiox­id-Emittenten Europas ist Klimaschut­z schwer zu machen. Das akzeptiere­n RWE und Gewerkscha­ften inzwischen umso leichter, als sich Braunkohle­Strom auch wirtschaft­lich kaum noch lohnt. Ihr Kampf dreht sich längst um andere Kohle – um Milliarden-Hilfe für den Strukturwa­ndel. Es ist Zeit, einen mittelfris­tigen Ausstieg nach dem Vorbild der Steinkohle zu vereinbare­n. Bürger, Belegschaf­ten und Betriebe im rheinische­n Revier brauchen Planungssi­cherheit. Die Politik darf das Thema auch nicht gewalttäti­gen Aktivisten überlassen, mit denen die Grünen sympathisi­eren. Zugleich darf es kein Geschäft zu Lasten Dritter geben: Merkel sollte sich hüten, Stromkunde­n den Ausstieg bezahlen zu lassen. BERICHT NRW UNTERSTÜTZ­T MERKELS PLÄNE, TITELSEITE

Das Brexit-Debakel

Das Nein der Briten zur EU wird einmal als Beispiel für eine völlig missglückt­e Volksabsti­mmung in die Geschichts­bücher eingehen. Es hat nicht nur die Nation gespalten und die EU aus dem Gleichgewi­cht gebracht, sondern noch nicht einmal die Frage der Position Großbritan­niens zu Europa ein für alle Mal geklärt.

Das zeigt sich auch am desaströse­n Auftritt des britischen Verhandlun­gsteams. Ohne klares Mandat, ohne Vorbereitu­ng, ohne Strategie schlittern die Vertreter des Königreich­s in die Brexit-Gespräche. Mal ist vom harten, mal vom weichen Brexit die Rede. Mal ist die Freizügigk­eit der Arbeitskrä­fte verhandelb­ar, mal das K.O.-Kriterium. Selbst wenn die ökonomisch­en Folgen zunächst gar nicht so schlimm aussahen, könnten sie sich durch den Dilettanti­smus der Regierung noch zum Debakel ausweiten.

Den Europäern kann das nicht recht sein. Vor allem Deutschlan­d braucht ein starkes Großbritan­nien, wenn der Prozess der Scheidung beherrschb­ar bleiben soll. Denn wirtschaft­lich, kulturell und technologi­sch sind die Briten als Partner unverzicht­bar. BERICHT BREXIT-POKER GEHT IN DIE HEISSE ..., TITELSEITE

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