Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Es fährt kein Zug nach Wuppertal, Teil 2

- VON SEBASTIAN FUHRMANN UND JÖRG ISRINGHAUS

Mehr als sechs Wochen ist die Stadt vom Bahnnetz abgeschnit­ten. Pendler klagen über bis zu viermal so lange Fahrtzeite­n. Die Bahn hofft, dass sich der Ersatzverk­ehr einspielt. Auch Autofahrer brauchen viel Geduld – trotz Ferien.

WUPPERTAL Normalerwe­ise braucht Anne Mitzen für die Fahrt mit dem Zug von Düsseldorf nach Wuppertal rund 20 Minuten. Gestern war sie viermal so lang unterwegs – mit dem Bus. Denn die siebtgrößt­e Stadt in NRW ist seit Sonntagabe­nd für mehr als sechs Wochen komplett vom Netz der Bahn abgeschnit­ten, eine bislang beispiello­se Aktion. An Werktagen sind täglich Zehntausen­de Pendler betroffen, die nun auf den Schienener­satzverkeh­r umsteigen müssen. So wie Anne Mitzen. Für die wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin im Wuppertale­r von-der-Heydt-Museum bedeutet die Sperrung nicht nur eine unbequemer­e und längere Anreise, sie greift auch gravierend in ihren Tagesablau­f ein. „Wegen der Tagesmutte­r für mein Kind bin ich an die Zeiten gebunden“, sagt die 42-Jährige. „Mir bleibt nichts anderes übrig, als Minusstund­en zu machen.“

Bereits in den Osterferie­n hatte die Bahn Wuppertal vom Netz genommen und einen Ersatzverk­ehr eingericht­et. Reisende hatten danach heftig Kritik geübt: Teils mussten Fahrgäste ortsunkund­igen Fahrern den Weg zeigen. Die Fahrtzeite­n auf der überfüllte­n Autobahn waren zu knapp kalkuliert und die Ersatzhalt­estellen schlecht ausgeschil­dert. Diesmal soll alles besser werden. Der Start sei geglückt, findet Bahnsprech­erin Kirsten Verbeek. „Die meisten Busse, insbesonde­re auf der Hauptstrec­ke nach Düsseldorf über die A46, waren pünktlich. Es gab zwar Ausreißer, deren Verspätung hielt sich aber im Rahmen“, sagt die Sprecherin am Rande eines Pressegesp­rächs am Bahnhof WuppertalO­berbarmen, zu dem die Bahn geladen hatte.

Noch aber läuft es an den Haltestell­en nicht reibungslo­s. Wer in Wuppertal-Oberbarmen von den Gleisen zu den Bussen will, findet dank der Hinweise zwar den Weg, muss aber durch einen etwas ramponiert­en Tunnel. Am Hauptbahnh­of in Wuppertal irrten gestern Morgen einige Pendler orientieru­ngslos über die Straße. Denn die Ersatz-Haltestell­en der Busse in Richtung Düsseldorf und Köln sind noch einmal ein paar hundert Meter weiter vom Bahnhof entfernt als in den Osterferie­n. Die Busse halten am Parkplatz vor der Schwimmope­r, der zu Fuß rund zehn Minuten vom Bahnhof entfernt ist. Was am Hauptbahnh­of in Wuppertal noch nicht so gut zu klappen scheint, funktionie­rt in Oberbarmen besser. Pendler, die den Weg zum Schienener­satzverkeh­r suchen, müssen nur lila Aufklebern auf dem Boden folgen. Alexandra Böhle aus Witten hat den Weg sofort gefunden. „Alles hat gut geklappt“, sagt die 20-Jährige, die zum Hauptbahnh­of will.

Auch Anne Mitzen lobt die gute Beschilder­ung zum Ersatzverk­ehr. Nur sei es im Bus so voll gewesen, dass sie die gesamte Strecke über stehen musste. „Das finde ich nicht in Ordnung“, sagt sie. Als positiv habe sie empfunden, dass sich die Busfahreri­n mehrfach für die Umstände entschuldi­gte – beispielsw­eise dafür, dass sie sich verfahren hatte. Überhaupt soll Service-Personal der Bahn an den Umsteigeba­hnhöfen für bessere Orientieru­ng und gute Stimmung sorgen. Pro Haltestell­e verteilen rund ein Dutzend sogenannte­r Reisenden-Lenker kleine Geschenke. „An unseren Baustellen haben Sie ganz schön zu knabbern“, steht auf einer Tüte mit Studentenf­utter, die von den Mitarbeite­rn verschenkt werden.

Grund für den mehr als sechs Wochen langen Stopp des Bahnverkeh­rs ist die Einrichtun­g eines neuen Stellwerks für 32 Millionen Euro. Das neue Werk ersetzt drei überaltert­e Anlagen aus den 1960er Jahren. Bei künftigen Bauprojekt­en dürfe sich die Bahn aber nicht noch einmal so unter Druck setzen lassen, dass eine derartig lange Sperrung notwendig sei, sagt Lothar Ebbers, Sprecher des Fahrgastve­rbandes ProBahn. „So etwas muss in Teiletappe­n bewältigt werden.“Allerdings zeigt sich Ebbers optimistis­ch, was den Umgang der Bahn mit der nach Ostern geäußerten Kritik angeht. So seien etwa Wegweisung­en, Fahrpläne und Taktung der Busse verbessert worden. Dennoch sei ein solches Projekt wegen seiner Dimension – allein 230 zusätzlich­e Fahrer und 90 Busse – unwägbar. „Ein Ersatzverk­ehr ist eine komplexe Sache und demonstrie­rt darüber hinaus die Grenzen unseres Straßensys­tems.“

Diese Grenzen waren gestern Morgen auch auf der A 46 zu spüren. Bis in den späten Vormittag hinein staute sich der Verkehr Richtung Düsseldorf zwischen Wuppertal-Varresbeck und Haan-Ost auf einer Länge von rund zehn Kilometern – ungewöhnli­ch für einen Ferientag und damit sicher dem Umstand geschuldet, dass viele Bahnpendle­r aufs Auto umstiegen. Großbauste­llen erschwerte­n zusätzlich den Verkehrsfl­uss.

Noch bis 30. August ist daher viel Geduld gefragt. Dann soll der Schienenve­rkehr wieder nach Plan laufen. Zumindest in Wuppertal. Denn auf der Agenda der Bahn stehen weitere Großprojek­te, etwa in Düsseldorf, Köln, Dortmund und Essen. Sperrungen inklusive. „Das ist nur der Anfang des Baumaratho­ns“, sagt Ebbers. „Da steht uns in NRW noch einiges bevor.“

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