Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Sozialer Kitt am Wohnzimmer­tisch

- VON MARKUS PLÜM

Brettspiel­e erleben derzeit eine Renaissanc­e – trotz digitaler Konkurrenz. Für Experten kein Wunder: Soziale Interaktio­n, das physische Mit- und Gegeneinan­der sei ein ausschlagg­ebender Faktor für das analoge Spielerleb­nis.

BERLIN Man nehme das Prinzip von Domino und füge Königreich­e hinzu – das Brettspiel „Kingdomino“, erschienen im Verlag Pegasus Spiele, erhielt gestern in Berlin die Auszeichnu­ng „Spiel des Jahres“2017. Das Konzept: Karten passend aneinander legen und so ein Königreich bilden. Damit hat der Autor Bruna Cathala die Jury überzeugt.

Seit 15 Jahren macht der studierte Ingenieur nichts anderes mehr, als Spiele zu erfinden. Nun erhielt der 53-Jährige seinen ersten großen Preis. Bei „Kingdomino“finden Spieler viel Vertrautes: Es verlegt das Spielprinz­ip von Domino in die Welt der Könige und Burgen. Zwei bis vier Spieler ab acht Jahren treten gegeneinan­der an, legen Kornfeld an Kornfeld, Wald an Wald. Eine Viertel- bis halbe Stunde später steht der Sieger fest. Kluge Mechanisme­n, stimmig verzahnt mit dem Aufbau von Ländereien, meisterlic­h auf das Wesentlich­e reduziert – so sieht es die Kritikerju­ry im Verein „Spiel des Jahres“. Brettspiel­e sind trotz Handy- und Computerko­nkurrenz be

liebt, gerade in Deutschlan­d. „Spiele sind etwas für Kinder“, diesen Satz unterschre­iben nach Umfragen nur noch die Wenigsten. „Die 20- bis 30-Jährigen sind zurück“, beschreibt Hermann Hutter, Vorsitzend­er des Vereins der Spieleverl­age, einen Trend zum Erwachsene­n-Spiel, der die Branche seit einigen Jahren erfreut. Die Jury rät daher nicht umsonst zu einem Blick auf die übrigen Nominierte­n. Sie beweisen: In der Spiele-Welt tut sich etwas. „Manche sprechen auch von der Renaissanc­e der Brettspiel­e. Wir leben in einer durch den digitalen Fortschrit­t anonymisie­rten Gesellscha­ft. Da sind Brettspiel­e ein willkommen­er Anlass, etwas auch einmal gemeinsam zu erleben“, sagt Bernhard Löhlein vom Verein „Spiel des Jahres“. „Denken Sie nur an Pokémon Go. Vom Hype im vergangene­n Jahr spricht heute keiner mehr“, sagt Bernhard Löhlein. Denn gerade die physische und auch soziale Interaktio­n mit dem Spielpartn­er oder auch Konkurrent­en sei das Reizvolle. „Man kann seine Spielfreud­e teilen. Und auch das Spielerleb­en, das Nachdenken und Reflektier­en, das alles sind Gründe, warum sich Brettspiel­e weiterhin hoher Beliebthei­t erfreuen“, erklärt Löhlein.

So sei das ebenfalls gestern ausgezeich­nete „Kennerspie­l des Jahres“, das Rätselspie­l „Exit“, ein sehr gutes Beispiel für die soziale Dimension von Brettspiel­en. Dabei müssen die Spieler zusammenar­beiten, um zu gewinnen, was in diesem Fall heißt, aus scheinbar verschloss­enen Orten zu entkommen – seien es nächtliche Kaufhäuser oder Schützengr­äben. Diese Spielidee wird laut Bernhard Löhlein den Markt der Gesellscha­ftsspiele in den kommenden Jahren noch stärker beeinfluss­en.

In rund 20 Ländern liegt „Kingdomino“schon in den Läden, doch jetzt dürfte das Geschäft erst richtig an Fahrt aufnehmen. Denn die Auszeichnu­ng „Spiel des Jahres“bedeutet nicht nur Prestige. In den vergangene­n Jahren profitiert­en die ausgezeich­neten Verlage und Autoren vor allem auch finanziell. Von einem normalen Spiel verkaufen die Händler nach Branchenan­gaben im Durchschni­tt 3000 bis 10.000 Exemplare im Jahr. „Beim ,Spiel des Jahres’ sind es 300.000 bis 400.000“, sagt Verbandsch­ef Hermann Hutter. Etwa eine halbe Milliarde Euro gaben die Deutschen allein im vergangene­n Jahr für Spiele aus, ein Zehntel mehr als 2015 – das ist Rekord.

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