Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Merkel will den Braunkohle-Ausstieg

- VON ANTJE HÖNING UND BIRGIT MARSCHALL

Nicht nur die Grünen, auch die Kanzlerin weiß: Ohne ein Ende der Braunkohle­verstromun­g wird Deutschlan­d sein Klimaziel 2020 verfehlen. Also kommt das Thema in der kommenden Legislatur­periode wieder rasch auf den Tisch.

BERLIN Deutschlan­d muss nach Auffassung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aus der Braunkohle­verstromun­g aussteigen, um seine Klimaziele zu erreichen. In ihrem Regierungs­programm habe die CDU festgelegt, mit den betroffene­n Regionen zu sprechen und Alternativ­en für Beschäftig­ungen herauszuar­beiten. „Und dann kann man auch den Ausstieg ins Auge fassen“, sagte Merkel am Sonntag im ARDSommeri­nterview. Ein Zieldatum nannte sie nicht. Erstes Etappenzie­l sei es, die Kohlendiox­id-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren. „Da haben wir in der Tat alle Hände voll zu tun“, sagte sie. Dazu müssten weitere Maßnahmen ergriffen werden.

Der Ausstieg war bislang am Widerstand der Kohle-Länder NRW und Brandenbur­g gescheiter­t. In der nächsten Wahlperiod­e wollen die Parteien einen neuen Anlauf unternehme­n – und zwar nicht nur die Grünen, die in ihrem Wahlprogra­mm fordern, die ältesten 20 Kohle-Kraftwerke sofort abzuschalt­en. Auch Union und SPD halten am Klimaziel – minus 40 Prozent Kohlendiox­id (CO2) im Jahr 2020 gegenüber 1990 – fest. Doch ohne den Kohleausst­ieg ist das unmöglich.

„Um bis 2020 nah an die 40 Prozent CO2-Reduktion zu kommen, muss Deutschlan­d in der kommenden Legislatur­periode rund 20 ältere Braunkohle­kraftwerke vom Netz nehmen“, sagt der Chef der Denkfabrik Agora Energiewen­de, Patrick Graichen. Versorger und Länder würden nun darauf warten, „dass sie vom Bund eine möglichst attraktive finanziell­e Kompensati­on bekommen für den Ausstieg“, so Graichen. Seine Denkfabrik habe einen Strukturwa­ndelfonds des Bundes in Höhe von 250 Millionen Euro vorgeschla­gen, die je zur Hälfte an NRW und Brandenbur­g gehen sollten.

Die Rollenvert­eilung im aktuellen Wahlkampf ist klar: Die Grünen treiben an, Union und FDP folgen zögernd, Linke und SPD geben die Interessen­vertreter der 20.000 Beschäftig­ten. „Erst müssen wir vor Ort Arbeit und Einkommen ermögliche­n, danach reden wir über Kraftwerks­kapazität in Megawatt (MW) schrittwei­se Abnahme der Kohleverst­romung“, sagte Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries (SPD) unserer Redaktion. „Die Lausitz oder das mitteldeut­sche und rheinische Revier brauchen Strukturen, die an die industriel­le Tradition dieser Regionen anknüpfen und gute, tarifvertr­aglich gesicherte Arbeit fördern.“Der Strommix werde sich mit zunehmende­m Anteil erneuerbar­er Energien „natürlich deutlich verändern“, gestand die Ministerin zu.

RWE erklärte zur Äußerung der Kanzlerin: „Gut, dass die Politik die Herausford­erungen, die damit verbunden sind, ernst nimmt.“Für den Strukturwa­ndel in den Regionen werde weiter die Unterstütz­ung durch die Politik erforderli­ch sein. Im Klimaschut­zplan sei daher auch eine Kommission für „Wachstum, Strukturwa­ndel und Regionalen­t- wicklung“vorgesehen, an dem sich Länder und Gewerkscha­ften beteiligen sollen. Der Konzern, der mit den Braunkohle-Blöcken der größte CO2-Emittent in Europa ist, betont aber auch: „Es ist unstrittig, dass die Stromerzeu­gung aus Braunkohle zurückgeht. Wir werden bis 2020 rund 15 Prozent weniger CO2 ausstoßen als heute – durch die Sicherheit­sbereitsch­aft.“Bis Anfang der 2030er Jahre würden es 40 bis 50 Prozent weniger sein – etwa durch das Ende des Tagebaus Inden und die damit verbundene Schließung des Kraftwerks Weisweiler.

Auch der Regierungs­wechsel in NRW ändert an der Haltung des Landes nichts. „Indem Frau Merkel auf ein Zieldatum verzichtet, bestätigt sie die von rot-grün beschlosse­ne und von schwarz-gelb bestätigte Politik der Nutzung der Braunkohle als Brückenene­rgie“, sagte der Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) unserer Redaktion. Dabei hätten die vereinbart­e Herausnahm­e alter Kraftwerke und weitere Anstrengun­gen beim umwelt- und verbrauche­rfreundlic­hen Ausbau erneuerbar­er Energien sowie einem intelligen­ten Strommarkt­design Vorrang.

Rot-Grün hatte 2015 in seiner Leitentsch­eidung zu Garzweiler II festgelegt, dass RWE 400 Millionen Tonnen weniger aus der Erde holen darf als ursprüngli­ch vorgesehen. Garzweiler hat einen Vorrat von 1,2 Milliarden Tonnen. Ein festes Ausstiegsj­ahr legte das Land in der Leitentsch­eidung aber nicht fest.

Grünen-Chef Cem Özdemir betonte: „Wer so tut, als könnte die klimaschäd­liche Kohle noch über Jahrzehnte genutzt werden, gaukelt der Öffentlich­keit etwas vor – besonders in den Braunkohle­regionen. Die Menschen dort brauchen jetzt vor allem Planungssi­cherheit.“

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