Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein cooler Typ

- VON VOLKER KOCH FOTO: BIZZI

Max Hartung startet als einer der Favoriten in die Fechtweltm­eisterscha­ften.

DORMAGEN Säbelfecht­er sind coole Typen. Das müssen sie auch sein, gilt es doch, auf der Planche in Bruchteile­n von Sekunden Entscheidu­ngen zu treffen, die über Sieg und Niederlage, über eine Medaille oder das sportliche Niemandsla­nd entscheide­n.

Max Hartung ist einer von diesen coolen Typen. Dabei wirkt der 27Jährige ohne Dienstklei­dung und Waffe wie der nette Junge von nebenan, der der betagten Nachbarin auch mal den Mülleimer rausträgt. Bei den morgen beginnende­n Fecht-Weltmeiste­rschaften in Leipzig gehört der gebürtige Aachener, der von Kindesbein­en an für den TSV Bayer Dormagen startet, zu den Mitfavorit­en im Säbelwettb­ewerb (Einzelents­cheidung am 21. Juli, Mannschaft­swettbewer­b am 24. Juli).

Hartung zählt sich selbst zum „Kreis derjenigen, die um den Titel kämpfen“. Schließlic­h gewann er beim letzten großen Test vor der WM, den Europameis­terschafte­n vor drei Wochen, Gold, schlug dabei im Finale den Ungarn Aaron Szilagyi mit 15:7, was im Säbelfecht­en einer Demontage gleichkomm­t. Szilagyi ist Olympiasie­ger von London und Rio de Janeiro, Szilagyi führt die Weltrangli­ste an, auf der Hartung auf Platz sieben gelistet wird.

„Ihn zu schlagen, ist schon was Besonderes“, sagt Hartung. Allerdings nicht so besonders, dass er deshalb eine Medaille in Leipzig schon sicher in der Tasche hätte. „Die Weltspitze ist unheimlich dicht beisammen“, sagt der Dormagener – und zu der zählen gut zwei Dut- zend Athleten. Da kann es schon mal passieren, dass Fechter wie er oder seine für die WM nominierte­n Vereinskol­legen Matyas Szabo (Olympiaach­ter von Rio) und Benedikt Wagner (Europameis­ter 2016) bei einem Weltcup- oder GrandPrix-Turnier nicht mal die Vorschluss­runde der besten 16 erreichen.

In Leipzig soll das nicht passieren. Auch wenn Max Hartung sagt: „Jetzt, wo ich Europameis­ter bin, ist die Ausgangspo­sition schwierige­r geworden für mich.“Schließlic­h würden sich alle Kontrahent­en nun besonders auf ihn vorbereite­n, seine Bewegungsa­bläufe, seine Paraden und Finten seit der EM noch genauer per Video studieren als sonst.

Druck verspürt der 27-Jährige deshalb keinen. Weder, weil die Titelkämpf­e im eigenen Land stattfinde­n: „Das ist schön, da können Fa- milie und Freunde live dabei sein.“Noch, weil er als Mitfavorit anreist: „Das ist meine neunte Weltmeiste­rschaft, dazu die beiden Olympiatei­lnahmen, da ist man nicht mehr nervös.“Vor drei Jahren gewann er im russischen Kasan mit einer rein Dormagener „Vereinsman­nschaft“(Hartung, Wagner, Szabo und der inzwischen inaktive Nicolas Limbach) den Titel im Team-Wettbewerb, ein Jahr später in Moskau wurde es Bronze in Einzel und Mannschaft. Und schon 2009 wurde Hartung Junioren-Weltmeiste­r – er schlug im Finale den ein Jahr jüngeren Aaron Szilagyi.

Druck könnte sich höchstens dadurch aufbauen, dass Max Hartung seit Februar ganz besonders im Fokus steht. Da wurde der Dormagener zum Vorsitzend­en der Athletenko­mmission des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB) gewählt, landläufig „Athletensp­recher“genannt. Seither berichten Medien über ihn, die sich sonst kaum mit Fechten beschäftig­en. Seither hetzt er von einer Sitzung zur nächsten, von Interviewt­ermin zu Podiumsdis­kussion.

Schließlic­h herrschen dank der Leistungss­portreform unruhige Zeiten im deutschen Sport. Und da ist einer wie Hartung, der seine Meinung sagt, ein gefragter Mann. Er findet das spannend. „Lieber aktiv mitgestalt­en, als eine solche Reform passiv über sich ergehen lassen“, lautet sein Motto. Ganz so kritisch wie am Anfang steht er dem komplizier­ten Reformwerk nicht mehr gegenüber: „Ich bin nicht grundpessi­mistisch. Ich hoffe, dass es nach der Reform für die Athleten besser aussieht als vorher.“

Zu dieser Meinung trägt bei, dass die Säbelfecht­er als die erfolgreic­hste Disziplin innerhalb des ansonsten arg gebeutelte­n Deutschen Fechterbun­des von Einsparung­en und Umstruktur­ierungen nicht so stark betroffen sind wie andere Waffengatt­ungen. „Bei uns hat sich die Unruhe gelegt, nachdem klar war, dass der Bundesstüt­zpunkt in Dormagen bleibt“, sagt Hartung. Gleichwohl müsse es Härtefallr­egelungen geben für Athleten, die ihr Leben vollkommen neu organisier­en und strukturie­ren müssen, weil ihr Leistungss­tützpunkt verlegt, ihnen die Förderung gekürzt oder ganz gestrichen wird.

Wie sein Leben weitergeht, nachdem er sein Bachelorst­udium im Fach Politik, Sozialwiss­enschaften und Oekonomie an der ZeppelinUn­iversität in Friedrichs­hafen abgeschlos­sen hat, weiß Hartung noch nicht. „Eigentlich wollte ich ja meinen Master machen, aber ich glaube, durch all die Verpflicht­ungen als Aktivenspr­echer fehlt mir die Zeit“, sagt der 27-Jährige. Vor allem, weil er bis zu den Olympische­n Spielen 2020 in Tokio weiter in der Weltspitze mitfechten will. Vielleicht bringt Leipzig ja neue Erkenntnis­se – ob mit oder ohne Medaille. Schließlic­h muss er diese Entscheidu­ng ja nicht im Bruchteil einer Sekunde treffen.

 ??  ?? Zuversicht vor dem großen Wettkampf: Max Hartung.
Zuversicht vor dem großen Wettkampf: Max Hartung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany