Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

FRAGE DES STILS

-

Mehr Mut zum Smalltalk

Schweigen ist nicht immer Gold. Schweigen kann sehr, sehr unangenehm sein, und zwar dann, wenn sich plötzlich Menschen gegenübers­tehen, die nichts miteinande­r verbindet als der Anlass ihres Kommens. Dann ist Reden gefragt, unverzügli­ch, und es zählen jetzt nicht etwa goldene Worte, sondern klimpernde­s Silber, leicht, unterhalts­am – das kleine Gespräch: der Smalltalk.

Amerikaner sind Meister des Smalltalk. Spontan und locker verwickeln sie Wildfremde in eine Konversati­on, plaudern munter über das Wetter, die Anreise, den Hund im Foyer. Man merkt: Kommunizie­ren, Netzwerken war das A und O bei der Besiedlung der Neuen Welt. Deutsche tun sich da schwerer, sie genieren sich sichtlich, Oberflächl­ichkeiten von sich zu geben. Aber die funktionie­ren als Eisbrecher in noch nicht allzu lockerer Atmosphäre allemal besser, als etwa mit der Frage einzusteig­en, was von der Ehe für alle zu halten ist.

Smalltalk ist dennoch keine Unterhaltu­ng zweiter Klasse, im Gegenteil: Die Kunst besteht darin, das Alltäglich­e ernsthaft aufzugreif­en, um auf diese Weise den kleinsten gemeinsame­n Nenner mit dem noch unbekannte­n Gegenüber zu finden. Daran ist nichts Tadelnswer­tes, denn von da an geht es in der Regel automatisc­h in höhere Sphären. Smalltalk bedeutet auf keinen Fall, jemanden mit Plattitüde­n oder plumpen Witzen zuzutexten. Vielmehr kommt es darauf an, das Gefühl zu vermitteln, dass man grundsätzl­ich an der Meinung des Anderen interessie­rt ist. Deshalb muss der geübte Smalltalke­r bereit sein, auf jede Belanglosi­gkeit begeistert einzugehen, die ihm entgegensc­hallt.

Damit sind wir beim Kern unserer Kolumne: Stil hat viel damit zu tun, seine Mitmensche­n angemessen wahrzunehm­en, ihnen Anteilnahm­e zu signalisie­ren. Auf Leute zuzugehen und eine Konversati­on mit Smalltalk in Gang zu bringen, ist allemal stilvoller als sie in einer dröhnenden Stille einfach zu ignorieren. Im Beruf zeigt sich zudem, dass Smalltalke­r die Nase vorn haben, weil es ihnen schnell gelingt, eine persönlich­e Beziehung aufzubauen. Haben Sie eine Frage des Stils? Dann mailen Sie an: stilfrage@rheinische-post.de

Newspapers in German

Newspapers from Germany