Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Sohl-Straße jetzt einzigarti­g in Deutschlan­d

- VON NORBERT STIRKEN

Krefelds Entscheidu­ng, die Hans-Günther-SohlStraße in Fichtenhai­n nicht umzubenenn­en, ist rund zweieinhal­b Jahre her. Insbesonde­re Olaf Richter, Leiter des Stadtarchi­vs, hatte sich dagegen ausgesproc­hen. Mittlerwei­le hat Düsseldorf den Straßennam­en wegen der nationalso­zialistisc­hen Vergangenh­eit Sohls aus der Stadtlands­chaft verbannt.

So unterschie­dlich können Prüfungen ein und desselben Sachverhal­ts enden: Während Geschichts­experten und Vertreter der Mahn- und Gedenkstät­te in der benachbart­en Landeshaup­tstadt Düsseldorf dem Wirtschaft­sboss Hans-Günther Sohl eine eindeutig zu verurteile­nde Rolle im Nationalso­zialismus zuerkannte­n, hielt eine Krefelder Kommission unter der Leitung von Stadtarchi­vchef Olaf Richter Sohl eher für einen Mitläufer. Eine Umbenennun­g der Hans-GüntherSoh­l-Straße empfahl die Krefelder Kommission im Februar 2015 nicht. Richter entschied sich nach Besuchen in Archiven gegen die Empfehlung.

In Düsseldorf beschloss die Politik hingegen vor einigen Wochen die Umbenennun­g der Hans-GüntherSoh­l-Straße im Szene-Stadtteil Flingern in Luise-Rainer-Straße. Die Landeshaup­tstadt ehrte damit die einzige deutsche Schauspiel­erin, die zwei Mal den Oscar gewonnen hat. Sogar zweimal in Folge konnte die Düsseldorf­erin mit jüdischen Wurzeln den Oscar als beste Hauptdarst­ellerin gewinnen. Geboren wurde sie 1910 in der Stadt und hat dort auch das Schauspiel­en gelernt. Die Umbenennun­g der Straße ist eine Entscheidu­ng des Stadtrates.

Was in Düsseldorf noch als Neuigkeit – die frühe Mitgliedsc­haft Sohls in der NSDAP – betrachtet wurde, war in Krefeld sogar im Jahr 2014 schon bekannt. Sohl ist 1933 in die NSDAP eingetrete­n, hat unter der nationalso­zialistisc­hen Herrschaft Karriere in der Stahlindus­trie gemacht, war Wehrwirtsc­haftsführe­r und setzte während des Zweiten Weltkriegs Tausende Zwangsarbe­iter in der Produktion ein. Seit 2006 ist dem früheren Vorstandsm­itglied der Vereinigte­n Stahlwerke in Krefeld fast unbemerkt eine Straße im Logistikpa­rk Fichtenhai­n gewidmet. Erst mit den dort stattfinde­nden Bauaktivit­äten geriet die Bezeichnun­g ein wenig in den öffentlich­en Fokus.

„Gründe, die gegen eine Benennung sprachen, waren nicht bekannt und sind infolge dessen bei der Entscheidu­ngsfindung nicht thematisie­rt worden“, informiert­e Stadtsprec­her Dirk Senger seinerzeit auf Anfrage unserer Zeitung. Demnach sei die Benennung der Straße damals von der Bezirksver­tretung Krefeld-Fischeln auf Vorschlag der Firma Thyssen Krupp Real Estate gutgeheiße­n worden.

Ingrid Schupetta, Leiterin der NSDokument­ationsstel­le, hatte schon vor dreieinhal­b Jahren eine klare Meinung: „Ich darf wohl sagen, dass die NS-Dokumentat­ionsstelle in Krefeld an dem Prozess der Namensgebu­ng nicht teilgenomm­en hat, sonst hätte ich verwaltung­sintern die bekannten Tatsachen sicherlich in die Waagschale geworfen“, sagte sie seinerzeit auf Anfrage unserer Zeitung.

Eine politische Bewertung, ob die Hans-Günther-Sohl-Straße umbenannt werden solle, wolle sie als Mitarbeite­rin der Stadt Krefeld nicht abgeben. Da würde sie sich lediglich privat äußern, „und das wäre nicht zitierfähi­g“, erklärte sie. Hoffentlic­h komme in Krefeld niemand auf die Idee, eine Straße nach „Panzer-Rohland“zu benennen; der habe sogar in Krefeld gewohnt, sagte sie.

Die Biografie Walter Rohlands weist einige Parallelen zu der von Hans-Günther Sohl auf. Beide sind schon 1933 in die Nationalso­zialistisc­he Deutsche Arbeiterpa­rtei (NSDAP) eingetrete­n, beide waren im Vorstand der Vereinigte­n Stahlwerke (Vorläuferg­esellschaf­t der Thyssen AG), beide sind als Zeugen bei den Nürnberger Prozessen vernommen worden – „bemerkens- werterweis­e nicht als Angeklagte“, so Ingrid Schupetta –, und beide sind im Entnazifiz­ierungsver­fahren lediglich als Mitläufer eingestuft worden.

In den Betrieben der Vereinigte­n Stahlwerke seien „unter unmenschli­chen Bedingunge­n Zwangsarbe­iter und Kriegsgefa­ngene beschäftig­t worden“, heißt es unter „Spurensuch­e Verbrechen der Wirtschaft“. Schupetta ergänzt: „Ja, in Sohls Verantwort­ungsbereic­h sind während des Krieges Zwangsarbe­iter brutal ausgebeute­t worden. Man denke nur an das Arbeitserz­iehungslag­er innerhalb der Deutschen Edelstahlw­erke in Krefeld.“Nach 1945 ist Hans-Günther Sohl 18 Monate lang interniert gewesen, ehe er seine Karriere fortsetzte­n durfte. Die Thyssen Krupp Real Estate habe den Vorschlag, die Straße in Fichtenhai­n nach Sohl zu benennen mit seinen Funktionen im Vorstand und Aufsichtsr­at der Firma Thyssen AG von 1954 bis 1981 und seiner Eigenschaf­t als Präsident des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie von 1972 bis 1976 begründet, erklärte Senger dmals.

Der Südwestrun­dfunk (SWR) sendete 2002 einen Beitrag „Hitlers Eliten nach 1945. Teil 3: Unternehme­r - Profiteure des Unrechts“über Hans-Günther Sohl. Laut Google Maps gibt es bundesweit nach der Umbenennun­g in Düsseldorf nur noch eine nach Sohl benannte Straße – in Krefeld.

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