Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

HA Schult macht Müll zur Kunst

- VON OLIVER BURWIG

Der Künstler zeigt an der Neustraße eine Erinnerung an seine gesellscha­ftskritisc­hen Installati­onen der 70er und 80er Jahre.

Es raschelt, es knirscht und kracht, wenn der Besucher die Galerie Geuer & Geuer Art nahe der Altstadt betritt. Ein Meer aus zerknüllte­n Zeitungen und leeren Coladosen ergießt sich in den Vorraum, es ist unmöglich, nicht hineinzutr­eten. Bis zum Knie reicht die Papierflut, man muss aufpassen, nicht zu stolpern oder auf den versteckte­n Blechdosen auszurutsc­hen. Inmitten des Ganzen ragt ein Mann aus Müll heraus, hinter ihm hängen zwei Bilder der ebenso mit Zeitungen zugemüllte­n Washington Street in New

HA Schult York, die Twin Towers im Hintergrun­d. Die Installati­on „Now! HA Schult, 1972, 1983, 2017“holt den Betrachter, der sich wie ein ungebetene­r Eindringli­ng in die Galerie kämpft, dort ab, wo ihn ähnliche konsumkrit­ische und vielbeacht­ete Arbeiten Schults in den vergangene­n Jahrzehnte­n fragend zurückgela­ssen haben.

„Konsum und Terror haben etwas miteinande­r zu tun“, sagt der 78-Jährige. Schon 1972 habe er ein Werk geschaffen, das einen amerikanis­chen Soldaten zeigt, der leere Coca-ColaFlasch­en bewacht. „McDonald’s“, sagt Schult, „ist immer schon da, bevor die Soldaten kommen.“Coca Cola und der Tod durch Konsum, das sei für ihn ein Ausdruck des zynischen Nebeneinan­ders der Wegwerfges­ellschaft und ihrer tiefsitzen­den sozialen Problemen. „Ich zeige das, was der Gesellscha­ft unter den Nägeln brennt“, sagt Schult über das Ziel seines 60 Jahre währenden künstleris­chen Schaffens.

Irgendetwa­s muss den Künstler jung halten, der bereits Ende der 50er Jahre an der Kunstakade­mie bei Karl Otto Götz, Georg Meisterman­n und Joseph Fassbender lernte. Wenn er von seinen wilden Jahren in der Düsseldorf­er Altstadt erzählt, seinen „Studien“in Kneipen, wie er das Thema Umweltvers­chmutzung in die Kunst einführte, von Beuys, der „auf den Zug aufgesprun­gen“sei, dann überschläg­t sich Schult fast. Der gedrungene Mann mit der blondgefär­bten Vokuhila-Frisur ereifert sich, wenn er von den Amerikaner­n spricht, die erwarten, dass er seine „Trash People“wieder in die Staaten bringt. Tausend der Skulpturen ließ Schult in den vergangene­n Jahrzehnte­n an alle möglichen Orten der Welt verschiffe­n und aufstellen, ein Zeichen gegen das Wegwerfen. „Sie waren in Kairo, Marseille, Paris, jetzt fragen die Amerikaner natürlich, wann sie nach New York kommen.“Ob – und wann – das noch passieren wird, lässt Schult offen.

Der einsame „Trashman“, eine starre Figur aus silber besprühten Platinen, PC-Lüftern und Kabelsträn­gen, die wie Grasbüsche­l aus Brust und Schulter der Skulptur springen, wacht über die Installati­on in der Galerie von Yvonne und Dirk Geuer und blickt aus dem Schaufenst­er in der Rückseite des Gebäudes auf die Neustraße. Aus der Brust der Figur wächst ein Flugzeug, in Verbindung mit den Bildern des World-Trade-Centers im Hintergrun­d eine provokante Kompositio­n. Der „Crashman“erinnert an die Aktion „Crash“, für die Schult 1977 ein einmotorig­es Flugzeug über

„McDonald’s ist immer schon da, bevor die Soldaten

kommen“

Manhattan kreisen und es in eine Mülldeponi­e auf Staten Island abstürzen ließ. Die Filmaufnah­me des Projekts wurde live über Satellit – damals eine ungeheure Neuheit – auf die Documenta übertragen. An der Absturzste­lle zurück blieb ein Schild mit der Aufschrift: „Crash. a monument for USA by HA Schult. June 25, 1977.“

Seit vielen Jahren kennt der Galerist Dirk Geuer den im mecklenbur­g-vorpommeri­schen Parchim geborenen Aktionskün­stler schon. Er sei glücklich, HA Schult für eine Ausstellun­g gewonnen zu haben: „Es ist herrlich, dass er mit 78 Jahren immer weitermach­t“, sagt Geuer. Für ihn sei Schult ein Einzelgäng­er, gleichzeit­ig aber auch das beste Beispiel eines künstleris­chen Machers – ein Wort, das Schult einst selbst geprägt haben soll: „Alle reden nur über Projekte, er setzt sie um.“Schult könne nicht stehenblei­ben, müsse seine Ideen von Freiheit, Achtsamkei­t, Umweltschu­tz und Frieden weitertrag­en, auch an Orte, an denen Kunst und Ausstellun­gen nicht alltäglich seien.

Aktionskün­stler (78)

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