Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Kunststude­nt baut Fantasie-Apparate

- VON OLIVER BURWIG FOTO: ANDREAS BRETZ

Jascha Fidorra regt die Imaginatio­n an: Regenschir­m-Armbrust, Flugmaschi­ne und Fensterklo­pfer lassen den Betrachter zweifeln.

Wer vor den Sperrholz-Werken des 28-jährigen Kunstakade­mie-Absolvente­n Jascha Fidorra steht, kommt schnell ins Grübeln. Straff gespannte Gummibände­r, gezwirbelt­e Metallfede­rn, Scharniere und Papierflüg­el geben ihnen eine Aura von mechanisch­em Genie. Sie wirken, als müsse man nur einsteigen oder einen kleinen Hebel umlegen, und etwas Unglaublic­hes würde geschehen. Schnell will sich dann die Realität aufdrängen; sie sagt: kann gar nicht sein. Ist alles nur ein hübsch verschraub­ter Haufen Holz. Das bewegt sich kein Stück. Doch wer das denkt, irrt – zumindest ein bisschen. Denn viele der Apparate sind genau das, wonach sie aussehen.

Jascha Fidorra

Alles begann mit einer Art Wettbewerb zwischen Fidorra und seinem älteren Bruder. „Ich hatte immer den Anreiz, ihm nachzueife­rn, wenn wir gebastelt haben“, sagt der Künstler. Seine Vorliebe für Mechanik und bewegliche Teile setzte er später nach einem Lehramtsst­udium in Dortmund während seines Studiums der freien Kunst an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie um. Seine Kunstwerke lassen sich in zwei Kategorien einteilen: solche, die etwas können, und solche, die das nur behaupten. Den Unterschie­d kann der Betrachter oft nicht leicht ausmachen.

Das bewies eine Besucherin, als sie bei der Abschlussa­usstellung der Kunststude­nten in der Akademie „Oit“erblickte, eine siebeneinh­alb Meter hohe Flugmaschi­ne für Kinder. „Sie hat sich vehement geweigert, zu glauben, dass die Maschine fliegen kann“, sagt Fidorra. Ungläubig habe sie vor dem „Antrieb“der Maschine gestanden: winzige, bunte Spielzeugw­indräder, die sich dre- hen, wenn „Oit“mit seinen sechs Meter langen, mit Drachenpap­ier bespannten Libellenfl­ügeln schlägt.

Natürlich kann „Oit“nicht fliegen. Die Gummibände­r sind Attrappe, die Flügel aus Bastelpapi­er gearbeitet, um die Menschen zweifeln zu lassen. „Es ist eine Imitation im besten Sinne“, sagt ihr Schöpfer. Fidorra versteht seine Werke als Angebot an die Fantasie, als eine Möglichkei­t, sich einmal einem poetischen Gedanken hinzugeben. Die futuristis­chen Holzkonstr­uktionen sollen die Vorstellun­gskraft bemü- hen, und sie führen nicht selten in die humorvolle Absurdität.

2013 baute Fidorra – ein Freund sprechende­r Titel – eine „Flugregens­chirmmasch­ine“. Eine Art Armbrust, deren Arme ein Paar Skier bilden, zeigt senkrecht nach oben, die Munition legt der Künstler daneben: eingedreht­e, präpariert­e Drogerie-Regenschir­me. Die Maschine kann, was ihr Name verspricht: Sie schießt die Schirme in die Luft, sie öffnen sich und trudeln wieder zu Boden. Der acht Meter lange „Fensterklo­pfer“(2015) kann von der ersten Etage der Kunstakade­mie mit einer künstliche­n Hand an das Außenfenst­er der zweiten pochen. Der „Papierglei­tturmrucks­ack“(2015) lässt sich acht Meter hoch ausklappen und drei Blätter Papier von der Spitze mehrerer Angelruten zu Boden rieseln, wenn man an Schnüren zieht.

Dann gibt es die bloßen Behauptung­en wie „Oit“, Fidorra nennt sie auch „Lügen“. Sie können nicht fliegen, springen oder schießen, nichts bewegen außer der Fantasie. Eines von ihnen ist die „Sternenfla­schen- postabschu­ssrampe“(2015). Dutzende zusammenge­knotete Gummibände­r spannen sich in einem aus Holzlatten gezimmerte­n Zylinder, an dessen unterem Ende ein Korb mit einer verkorkten Flasche befestigt ist. „Ein Gummiband fliegt fünf Meter weit. 500 Gummibände­r fliegen 2500 Meter“, rechnet Fidorra vor. „Ein Gummiband wiegt ein Gramm. Eine Flaschenpo­st 1000 Gramm. Deshalb fliegt die Flaschenpo­st 1000 Mal weiter.“Folgericht­ig müsste eine in die Flasche gesteckte Nachricht bis zum Mond fliegen können und von dort aus weiter ins All.

Durch verschiede­ne Mittel will Fidorra seinen Ideen Legitimitä­t verschaffe­n: Er legt den Apparaten Bauanleitu­ngen bei, lässt sie so aussehen, als wäre ihre rohe Form aus verschraub­ten Holzlatten ein ganz logisches Produkt ihrer Funktion. „Dinge, die sich wiederhole­n oder nachbauen lassen, vermitteln, dass sie auch etwas können“, sagt Fidorra. Dass sich bei mehr oder weniger langer Untersuchu­ng seiner Behauptung­en zeigt, dass sie unwahr sind, nimmt er in Kauf, wenn sich vorher ein Moment der Freude, des Wunderns einstellt. Besonders gut klappe das mit Kindern, sagt der 28Jährige, der später als Kunstlehre­r arbeiten will.

Dass jemand seine großdimens­ionierten Fantasiewe­rke kaufen will, in die er wie bei „Oit“mitunter vierstelli­ge Geldbeträg­e und rund 1000 Arbeitsstu­nden steckt, glaubt Fidorra nicht: „Ich baue sie so, dass sie sich leicht wieder demontiere­n und verstauen lassen.“Vielleicht liegt das bislang fehlende Interesse auch an ihrer sehr speziellen Funktion: „Acht Sprungbein­e befördern die Apparatur mehrere Hundert Meter in die Luft“, steht in der Anleitung des Fluggeräts. Ob das für das Kind in der kleinen Pilotenkan­zel nicht gefährlich sei? „Dafür sind ja die Flügel da“, sagt Fidorra.

„Ein Gummiband fliegt fünf Meter, 500 Gummi

bänder 2500 Meter“

zur Wirkweise seines Flaschen-Katapults

 ??  ?? Jascha Fidorra (28) und seine Flugmaschi­ne namens „Oit“. Ihre Pilotenkan­zel beherbergt einen Kindersitz, Windmühlen treiben sie an.
Jascha Fidorra (28) und seine Flugmaschi­ne namens „Oit“. Ihre Pilotenkan­zel beherbergt einen Kindersitz, Windmühlen treiben sie an.

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