Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
LEICHTATHLETIK
gem, begeisterungsfähigem und dabei fairem Sportpublikum. Szenen wie im Vorjahr in Rio, als die Cariocas den französischen Stabhochspringer Renauld Lavillenie bei jedem Versuch auspfiffen, um Lokalmatador Thiago Braz da Silva einen Vorteil zu verschaffen – sie wären in England undenkbar. Die Sportler lieben London und die Londoner, und gleichzeitig musste sich Farah auf der Tartanbahn nicht beklagen, dass das verinnerlichte Fair Play seine Landsleute unter den 65.000 auf den Rängen abhalten würde, ihn, der im Westen Londons lebt, aus tiefster Kehle zum Sieg zu schreien.
Seit Olympia 2012 hat Farah damit nun jeden Endlauf über 5000 und 10.000 Meter bei einer WM oder bei Olympsichen Spielen gewonnen. Gestern Abend feierte er sei- nen neunten Triumph in Folge, am kommenden Wochenende will er die zehn vollmachen und sich so definitiv als eine Legende von der Stadionrunde verabschieden. Geplant hat er einen Wechsel in die ungleich lukrativere Marathon-Szene, die „Sir“Farah, den die Queen an Neujahr in den Adelsstand erhoben hatte, als Zugpferd mit offenen Armen empfangen wird.
Wer Erfolge in solcher Konstanz und Deutlichkeit über Jahre abliefert, gerät – das gehört im heutigen Hochleistungssport wohl dazu – irgendwann unter zumindest leise formulierte Dopingverdächtigungen. Im Fall von Farah betrafen sie immer mal wieder seinen Trainer Alberto Salazar – und irgendwann wurden dann auch zwei verpasste Dopingtests von Farah in den Jah- ren 2010 und 2011 publik. Doch der Langstreckler überstand all diesen Gegenwind. Er veröffentlichte 2015 seine Blutwerte, er ließ eigene Untersuchungen seiner medizinischen Daten in Auftrag geben, und er ging auch verbal in die Offensive: „Ich habe es satt, mich immer wiederholen zu müssen. Ich glaube an den sauberen Sport. Es gibt kein Geheimnis für das, was ich tue. Mein Leben ist nicht so einfach, wie die Leute glauben. Es ist harte Arbeit!“
Die Briten glaubten ihm. Die Briten standen zu ihm. Und die Leichtathletik-Welt dürfte am Ende auch durchaus ganz froh gewesen sein, dass man bei einem ihrer VorzeigeStars (noch) nie fündig wurde. Genauso halt wie bei Usain Bolt.
Der läuft heute Abend sein Finale. In Farahs Wohnzimmer.