Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Heldenbeke­nntnisse

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Winnetou, Klinsmann, Bibi Blocksberg – viele Menschen schwärmen in ihrer Jugend für einen realen oder fiktiven Helden, der irgendetwa­s besonders gut

kann, geachtet wird oder einfach so nett ist wie Marijke Amado.

Mit Bibi ist die Welt wunderbar einfach. Der Bürgermeis­ter hat Mist verzapft? Hext sie in Ordnung. Ihre Freundin Moni hat Ärger mit den Eltern? Auch dazu fällt Bibi der richtige Spruch ein. Es ist aber mehr als das „Ene Mene“, das die kleine Hexe aus Neustadt zur Heldin macht. Bibi Blocksberg ist schlau, lässt sich nie den Mund verbieten, tritt für diejenigen ein, die schwächer sind als sie. Als Kind wollte ich so sein wie Bibi. Ich wollte auf Kartoffelb­rei, meinem fliegenden Besen, durch die Welt düsen und sie retten mit meinen Zaubersprü­chen. Das mit der Hexerei wurde nichts. Ihren Mut aber würde ich noch heute gerne öfter haben. Laura Ihme, 26 3. Jimi Hendrix Ich bin Jimi Hendrix zum ersten Mal in einem Zelt begegnet. Mit meinen Freunden Franz und Niko hörte ich eine ganze Nacht Band of Gypsys. Irgendwann gaben die Batterien des kleinen Tonbandger­äts auf. Aber die Musik blieb. Wir banden uns Stirnbände­r in die Haare, und ich träumte von einer Karriere als Gitarrist. Ich habe sogar überlegt, ob ich nicht Linkshände­r werden sollte. Beides ist nicht gelungen. Immerhin hing ein Poster mit ihm im meinem Zimmer. Seine Musik habe ich erst viel später verstanden. In diesem Sommer 1971 war es nur eine Ahnung. Im frühen Herbst starb Hendrix. Für mich war er längst ein Wesen jenseits der Zeit.

Robert Peters, 59 gleichzeit­ig steigerten sie aber auch die Vorfreude aufs Meer. Auf diesen Fahrten liefen immer die Beatles: Mal war es Revolver, mal Sgt. Pepper, meist aber eine Zusammenst­ellung, die mein Vater aus mehreren Alben gemacht hat. Ohne ein Wort Englisch zu können, trällerte ich auf der Rückbank die Lieder irgendwie mit. Es gab für mich keine Band, die besser zum Sommer gepasst hätte.

Natalie Urbig, 28 5. Robinson Crusoe Eine Axt, etwas Saatgut, ein findiger Geist – das reichte Robinson Crusoe, sich alleine zu behaupten. Ganz so übel stellte ich mir als Zwölfjähri­ge seine Lage als Schiffbrüc­higer freilich nicht vor. Mein Robinson hatte es sich unter Palmen mit Blick auf einen 1a-Strand in ewigem Son- nenschein kommod gemacht. Existenzie­lle Einsamkeit in Bacardi-Feeling-Ambiente heldenhaft bewältigt – Hut ab! Die Moral: Es ist gut, Menschen wie Robinsons zeitweilig­en Mitbewohne­r Freitag an seiner Seite zu haben. Aber notfalls schaffst du es auch alleine! Mit 16, als Jack Kerouacs „On The Road“zu meinem Lieblingsb­uch avancierte, hatte ich längst dazugelern­t: Noch netter aber wär’s auf einer einsamen Insel mit einer Samstag.

Holger Hintzen, 53 6. Janosch Vor ein paar Wochen habe ich angefangen, meinem sechsjähri­gen Sohn „Oh, wie schön ist Panama!“vorzulesen. Anfang der 1980er-Jahre habe ich seine Geschichte­n verschlung­en und mit der Taschenlam- pe heimlich unter der Bettdecke weitergele­sen, wenn eigentlich schon längst Bettruhe sein sollte. Die Episoden vom Tiger und vom Bär. Man kann nicht oft genug Bücher von Janosch aus dem Regal nehmen und in seine Traumwelt abtauchen. Mit Dialogen wie: „O Bär“, sagte der Tiger, „ist das Leben nicht unheimlich schön, sag!“„Ja“, sagte der kleine Bär, „ganz unheimlich und schön.“In der Welt von Janosch gibt es wenig Krawall, dafür wird gelogen, bis sich die Balken biegen. Doch das wird so lieb gemacht, dass man niemandem dafür böse sein kann. Gianni Costa (39) 7. Jürgen Klinsmann Ich war neuneinhal­b Jahre alt, als Jürgen Klinsmann im November 1987 sein Tor des Jahres schoss: Per Fallrückzi­eher, aus zehn Metern Entfernung, gegen die Bayern. Klinsmann wurde fortan für mich eine Art Idol, sein VfB Stuttgart eine Art Lieblingst­eam. Er und ich wurden ähnlich sozialisie­rt: Klinsmann Sohn eines Bäckers, mein Vater Schlosser. Er blond – wie ich. Er konnte Kopfball. Ich glaubte, das ebenfalls zu können. Klinsmann blieb in all den Jahren Freigeist, Querdenker, manches Mal mit seltsamen Entscheidu­ngen: 1995 wechselte er zu Bayern, zunächst als Spieler, später auch als Trainer. Beide Male ging das Projekt in die Hose. Das machte ihn für mich nur sympathisc­her. Schließlic­h: Doch wären wir jemals Weltmeiste­r geworden, wenn „Klinssi“den deutschen Fußball nicht in den 2000er Jahren revolution­iert hätte?

Sebastian Peters, 39 9. Marijke Amado Was waren das für Wochenende­n. Abendessen, Schlafanzu­g an und ab vor den Fernseher, mit der ganzen Familie. Und zwar nicht, weil man sonst nichts vorhatte, sondern weil es das beste war, was man samstagsab­ends so machen konnte. „Die Hunderttau­sendmark-Show“, „Traumhochz­eit“, „Wetten, dass“– die Fernsehsho­ws der 90er waren Familienev­ents; die „Mini-Playbacksh­ow“Sehnsuchts­ort der Kindheit. Und Moderatori­n Marijke Amado machte Kleine ganz groß. 1600 Kinder besuchten in acht TV-Jahren ihr Minilädche­n, gingen in die Zauberkuge­l und kamen als Michael Jackson oder Marianne Rosenberg wieder raus. Marijke Amados weise Lektion für Millionen Kids an den Bildschirm­en: Ihr könnt alles sein, was ihr wollt. Ihr habt nichts zu verlieren, denn, so das Schlusslie­d: „Alle waren Sieger, auch wenn einer nur gewinnen kann.“Julia Rathcke, 29 10. Winnetou Winnetou starb am 1. Mai 1996. Er wurde auf der Straße vor unserem Haus angefahren und musste eingeschlä­fert werden. Ich war damals sieben Jahre alt und hatte unserem Kater diesen klangvolle­n Namen verpasst. Als ich ihn das erste Mal sah, war klar: Der kleine Kater mit dem roten Fell soll heißen wie der große Apache. Ich hatte die KarlMay-Bände von meinem Vater geschenkt bekommen – und verschlang sie alle. Wie er liebte ich die Abenteuer, die Rechtschaf­fenheit von Winnetou und Old Shatterhan­d und ihre Freundscha­ft. Ich wünschte mir das Playmobil-Indianerdo­rf, ging zu Karneval als N’tscho’tschi und einmal im Jahr fuhr ich mit meinen Großeltern zu den Festspiele­n nach Elspe. Mit Beginn der Teenie-Zeit ließ meine Begeisteru­ng zwar nach, doch ganz losgelasse­n hat mich Winnetou nie: Im September fahre ich mit Freunden nach Elspe. Gespielt wird „Winnetou I“.

Marlen Keß, 28

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FOTOS: DPA(4), IMAGO(4), KIDDIX, PUBLIC ADDRESS | MONTAGE: FERL

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