Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

SERIE DÜSSELDORF IN DER KUNST Heine schrieb sich seine Jugend herbei

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Der berühmtest­e Dichter der Stadt erinnerte sich oft an seine Heimat. In seinem Werk hat sie tiefe Spuren hinterlass­en.

Man könnte über Düsseldorf im Werk Heinrich Heines drei dicke Folianten vollschrei­ben und hätte dabei höchstwahr­scheinlich immer noch die Hälfte nicht beachtet. Heine wurde hier am 13. Dezember 1797 geboren, er hat die Jahre seiner Kindheit und Jugend in der rheinische­n Residenzst­adt verbracht und war im Lyzeum – dem heutigen Franziskan­erkloster an der Citadellst­raße / Ecke Schulstraß­e – bis 1814 mit mäßigem Erfolg zur Schule gegangen. Eine prägende Zeit, sicherlich, derer er sich später immer wieder auch literarisc­h erinnerte – vor allem in „Ideen. Das Buch Le Grand“von 1827.

Es scheint, als habe er sich die gute, meist unbeschwer­te Zeit der jungen Jahre noch einmal herbeischr­eiben wollen. Und oft sind es Worte der Sehnsucht, mit denen der später Heimatlose sich die alte Heimat wieder zu erschaffen versucht. Wie anrührend sind seine Sätze über sein Geburtshau­s: „Ich bin dort geboren, und es ist mir, als müsste ich gleich nach Hause gehn. Und wenn ich sage, nach Hause gehn, so meine ich die Bolkerstra­ße und das Haus, worin ich geboren bin.“Heute ziert eine Gedenktafe­l die Fassade, wobei das echte Geburtshau­s im Hof nicht mehr steht. 80 Steine vom Gebäude sind übriggebli­eben, aus denen heute im feinen Lesesaal der Literaturh­andlung Müller & Böhm der Sockel für eine Heine-Büste entstand.

Mit Heines Buch in der Hand kann man die ganze Stadt durchstrei­fen und dabei auch europäisch­e Geschichte lernen, mit ihm und seinen Augen Zeuge werden, als 1806 die Franzosen in die Stadt einzogen. Der junge Harry Heine hatte dafür den Sockel des Kurfürsten­Reiterbild­es erklettert und von dort spannende Beobachtun­gen ma- chen können: Wie sich die Ratsherren sehr machtflexi­bel gaben und der Balkon sich „mit bunten Herren, Fahnen und Trompeten“füllte.

Die Stadt Düsseldorf hat ihren berühmtest­en Sohn lange Zeit nicht sonderlich geehrt. Ein erstes HeineDenkm­al – das „Fragemal“von Bert Gerresheim – gab es erst 1981; und die hiesige Hochschule trägt Heines Namen seit 1989, nachdem 1972 und 1982 zwei Versuche einer Na- mensgebung peinlicher­weise gescheiter­t waren. Doch die Stadt müht sich inzwischen redlich – mit dem hoch dotierten Heine-Preis, dem Heine-Institut, dem HeineHaus und der Heine-Gesellscha­ft.

Auch Privat-Initiative­n gibt es, die allerdings nicht immer glücken. So ziert Heines beliebter Düsseldorf­Slogan seit etlichen Jahren die Fassade des Wohnhauses an der Ecke Bilker Straße / Südstraße: Ein paar Zeilen aus „Ideen. Das Buch Le Grand“sind dort verewigt, mit einem möglicherw­eise pikanten Schreibfeh­ler. Im Original heißt es: „Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt . . .“An der Fassade steht indes wie ein Menetekel geschriebe­n: „Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an Sie denkt . . .“Aus dem unscheinba­ren Personalpr­onomen „sie“ist das Anredepron­omen „Sie“geworden.

Die Stadt kann damit also nicht gemeint sein, möglicherw­eise aber eine junge Frau. Der Wechsel von Klein- zur Großschrei­bung gibt Heines Zeilen plötzlich eine neue Bedeutungs­tiefe, sprich: Brisanz. Das Bekenntnis zur Stadt wandelt sich zum Bekenntnis einer Liebe. Herzens-Anhänglich­keit statt Heimatverb­undenheit! Natürlich ist Heine auch dafür bekannt; er rühmte die Frauen oft und gern und fulminant.

Nun stellt die Hausfassad­e am Schwanenma­rkt – fast in Sichtweite des Heine-Fragemals – uns vor die Frage, um welches Fräulein es sich wohl handeln könnte. Im Umfeld seiner Düsseldorf­er Zeit kommt da eigentlich nur eine in Betracht: Josefa Goch, genannt das „rote Sefchen“, an der Heinrich Heine als 16Jähriger seine Leidenscha­ft wie auch seinen poetischen Widerstand erprobte, wenn er behauptet, das Sefchen „nicht bloß aus persönlich­er Neigung“geküsst zu haben, „sondern auch aus Hohn gegen die alte Gesellscha­ft und alle ihre Vorurteile“.

Ein heikles Doppelspie­l, insbesonde­re bei diesen Familienve­rhältnisse­n: Das Sefchen war immerhin die Enkelin des Düsseldorf­er Scharfrich­ters. Und ihr Vater wurde 1808 wegen „Quacksalbe­rey“mit körperlich­em Arrest bestraft. Ob Heine da so mutig gewesen ist? Viel wahrschein­licher dürfte es daher sein, dass es sich am Haus doch nur um einen schnöden Schreibfeh­ler handelt. Eigentlich schade.

„Und wenn ich sage, nach Hause gehn, so meine ich die Bolkerstra­ße und das Haus, worin ich geboren bin“

 ?? FOTO: DPA ?? Heinrich Heine nach einem Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim (1799 - 1882). Das Porträt zeigt Heine etwa zur Zeit seiner Übersiedlu­ng nach Paris (1831).
FOTO: DPA Heinrich Heine nach einem Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim (1799 - 1882). Das Porträt zeigt Heine etwa zur Zeit seiner Übersiedlu­ng nach Paris (1831).

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