Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Ein empörender wilder Streik bei Air Berlin
Die spontane Krankmeldung von rund 200 Piloten bringt Air Berlin noch näher an den Abgrund. Es ist zwar verständlich, dass die Piloten Übergangsregeln beim Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber haben wollen, aber dies mit einem wilden Streik zu erzwingen, ist egoistisch und empörend.
Die hoch bezahlten Piloten gefährden die Jobs Tausender schlechter bezahlter Kollegen, während sie selbst die Zukunft gelassen sehen können: Erfahrene Flugzeugführer, gerade für die Langstrecke, sind Mangelware, Piloten können ohne große Schwierigkeiten bei ausländischen Airlines anheuern. Stewardessen, Stewards oder das Bodenpersonal hingegen sind darauf angewiesen, zu halbwegs seriösen Adressen hierzulande zu gehen.
Air Berlin kann man nur wünschen, dass es der einzige Streiktag für Monate bleibt. Die Piloten müssen sich fragen, ob es moralisch gerechtfertigt ist, das Unternehmen in den Untergang zu treiben, nur um einen weiteren Vorteil herauszuholen. Und der Gläubigerauschuss muss schnell über den Verkauf von Betriebsteilen entscheiden: Dann gibt es neue Eigentümer – endlich gäbe es wieder Perspektiven für große Teile der Belegschaft. BERICHT AIR BERLIN BEFÜRCHTET FLUGSTOPP, TITELSEITE
Chance der Grünen
Die jüngste Umfrage, die die Grünen nur noch bei sechs Prozent sieht, ist ein Warnsignal für Özdemir und Co. Die Öko-Partei muss auf den letzten Metern mächtig Gas geben, will sie künftig in der politischen Landschaft eine Rolle spielen. Ihre Chance sind die 40 Prozent Unentschlossenen, die noch nicht wissen, wo sie ihr Kreuz machen sollen – oder ob sie überhaupt zur Wahl gehen. Die Grünen haben ein Wählerpotenzial von über 20 Prozent. Nur einen Teil davon müssen sie mobilisieren, um in die Nähe einer Regierungsbeteiligung zu kommen.
Die Jamaika-Koalition mit der Union und der FDP ist ihre einzige Machtoption. Die Grünen wären dumm, wenn sie diese Karte jetzt nicht ausspielen würden. Das könnte zwar linksstehende potenzielle Grünen-Wähler abschrecken. Doch auf der anderen Seite könnten die Grünen solche Wähler gewinnen, die in einer anderen Konstellation die SPD gewählt hätten. Viele Wähler könnten ein Interesse an möglichst starken Grünen in einem Jamaika-Bündnis haben. Und nicht wenige dürften Schwarz-Gelb in Reinform verhindern wollen. BERICHT GRÜNE SINKEN IN UMFRAGE..., TITELSEITE
Wendige Autokraten
Die Wendigkeit von Autokraten ist schon beeindruckend: Noch Ende 2015 schienen die Türkei und Russland nach dem Abschuss eines russischen Jets im türkisch-syrischen Grenzgebiet kurz vor einer militärischen Konfrontation. Nicht einmal zwei Jahre später ordert der türkische Präsident Erdogan bei seinem neuen Freund Putin mit dem Raketensystem S-400 das Beste, was die russische Rüstungsindustrie zu bieten hat. Für Erdogan geht es freilich um mehr als nur um Waffen, es geht um eine neue strategische Option: weg vom Westen, der ihn für seinen rabiaten Umgang mit politischen Gegnern zunehmend kritisiert. Und hin zu Putins Russland, wo man ähnliche Umgangsformen pflegt.
Es ist ein ungleiches und zugleich gefährliches Bündnis: Sollte Erdogan tatsächlich glauben, er könne für Putin ein Partner auf Augenhöhe sein, so täuscht er sich maßlos. Die Entfremdung der Türkei von ihren westlichen Partnern ist sicherlich ganz im Sinne des Kreml. Dennoch sind die Interessen der beiden Länder in vielen Punkten keinesfalls deckungsgleich. Und Erdogan bleibt unberechenbar. BERICHT