Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Gehen Sie wählen, demokratisch bitte!
Die Bundestagswahl ist das Hochamt der Demokratie. Für 2017 gilt das in besonderem Maße. Denn es geht um mehr als die Frage, ob sich die Politik der kommenden vier Jahre eher links oder eher bürgerlich ausrichtet. Zur Abstimmung steht auch unsere politische Kultur.
Nach einem Wahlkampf, in dem eine lautstarke Minderheit Schreien, Pöbeln und Pfeifen an die Stelle von Argumenten gesetzt hat, ist ein Signal der Mehrheit für Parteien, die zur konstruktiven Zusammenarbeit bereit sind, umso wichtiger. Bei dieser Wahl geht es auch darum, die Grundfesten der freien Gesellschaft und der liberalen Demokratie gegen jene zu verteidigen, die diese mit autoritärer Haltung, Ausgrenzung und engem Denken bedrohen.
Schauen wir auf unsere Nachbarn: Wie ratlos sind die Briten heute, die sich von Rechtspopulisten in die Sackgasse des Brexit haben führen lassen. Welche Aufbruchstimmung herrscht hingegen in Frankreich, wo sich die Menschen mit Präsident Macron für eine offene Gesellschaft entschieden haben. Sie haben auch dafür gestimmt, nicht den Verheißungen scheinbar einfacher Lösungen zu folgen, sondern ihre Probleme selbst zu lösen – so mühsam das ist.
Bundespräsident Steinmeier bezeichnete die Demokratie vor wenigen Tagen als „politischen Lernprozess“. Steinmeier hat recht. Wer mehr verspricht, sagt nicht die Wahrheit. Es geht also am Sonntag darum, der Partei seine Stimme zu geben, deren Führungspersonal man am ehesten zutraut, diesen Lernprozess zu vollziehen angesichts der Zukunftsaufgaben von Digitalisierung, Bildung, Pflege, Rente, Job-Sicherung, Staatsfinanzen und internationaler Einbindung.
Die neue Regierung wird es voraussichtlich mit einer neuen Art der Opposition durch die AfD zu tun haben. Mit der AfD wird auch ein Stück Pöbel-Wahlkampf ins Parlament einziehen. Die übrigen Parlamentarier sollten die Größe besitzen, den Neuen ihre durch demokratische Wahlen erworbenen Rechte nicht durch Tricks zu verwehren. Nur wenn sich die AfD nicht länger in die Opfer-Rolle begeben kann, gibt es die Chance, sie politisch zu entlarven.
Die Floskel „Jede Stimme zählt“kann man am Ende eines Wahlkampfs nicht mehr hören. Richtig ist sie dennoch. Wo sich in der freien westlichen Welt bislang Rechtspopulisten durchsetzen konnten, waren die Entscheidungen immer knapp – wie bei Trump und beim Brexit. Es ist also wichtig, mit seiner Stimme die Demokratie zu stärken. Denn eine weltoffene Politik bedroht nicht unseren Wohlstand – eine irrationale Staatsführung tut dies sehr wohl. BERICHT FÜR DEN NEUEN BUNDESTAG WIRD ES ENG, SEITE A4
Theresa May enttäuscht
Mit ihrer Rede in Florenz wollte Premierministerin Theresa May den Stillstand in den Brexit-Verhandlungen beenden. Aber es ist fraglich, ob ihre Konzessionen reichen werden, um ihre Amtskollegen zu überzeugen. Die Regierungschefs der EU werden sich im Oktober zu einem Gipfel treffen und entscheiden müssen, ob genügend Fortschritte gemacht wurden, um die Verhandlungen in die nächste Phase eintreten zu lassen. Was Theresa May in Florenz anzubieten hatte, war vor allem Stimmungsmusik, aber wenig Handfestes.
Immerhin wird man auf europäischer Seite zustimmend zur Kenntnis genommen haben, dass Großbritannien jetzt wenigstens bereit ist, seinen Mitgliedsbeitrag von rund 20 Milliarden Euro für eine Übergangsphase nach dem Brexit zu zahlen. Aber was ist mit den restlichen EU-Forderungen? Großbritannien wird in den Brüsseler Gesprächen sehr viel konkreter werden müssen. Von der FlorenzRede der Premierministerin war im Vorfeld viel mehr erwartet worden. Viel Zeit bleibt nicht mehr, wenn man zu einem Deal kommen will. Die Uhr tickt. BERICHT MAY PLANT DEN BREXIT AUF RATEN, SEITE A5