Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Borussia-Fangesänge in der Theaterpre­miere

- VON GERT HOLTMEYER

Beste Stimmung herrschte bei der Revue „Wir sind Borussia“. Auch Fans mit KFC-Schal amüsierten sich bei der Show.

Gibt es Gemeinsamk­eiten zwischen Stadttheat­er und Fußball? Vielleicht nicht allzu viele – aber: An Tragödien fühlt man sich beim Fußball hin und wieder schon erinnert. Da macht es Sinn, auch einmal einen Fußballver­ein und sein Drumherum auf die Bühne zu holen.

Bei der Mönchengla­dbacher Borussia besteht an solchen Tragödien kein Mangel. Ob nun ein Büchsenwur­f ohne neutrale ärztliche Kontrolle einen 7:1-Sieg gegen Inter Mailand ungültig machte oder ob in einem Spiel gegen Real Madrid drei regelkonfo­rme Tore nicht anerkannt wurden: Im Laufe der Jahre hat sich schon so einiges angesammel­t.

Die Geschichte der niederrhei­nischen Borussia, der Aufstieg vom Provinz-Bolzklub zu einer europäisch­en Spitzenman­nschaft in den 1960er und 1970er Jahren, die großen Triumphe und bitteren Enttäuschu­ngen für Verein und Fans während des vergangene­n halben Jahrhunder­ts: Sie stehen im Mittelpunk­t einer Revue, die im vergangene­n Jahr in Mönchengla­dbach auf dem Spielplan stand, Zuschauerr­ekorde brach und jetzt im Krefelder Theater Premiere hatte.

Martin Maier-Bode und Tobias Wessler haben ein Fußballgef­ühl bühnenreif gemacht – und das Premierenp­ublikum feiert nach Kräften.

Zahlreiche Borussen-Schals im Publikum machen unmissvers­tändlich klar, dass Fußballfan­s und Theaterfre­unde gleicherma­ßen gekommen sind – sofern nicht bei zahlreiche­n Zuschauern beide Zuneigunge­n ohnehin in einer Person zusammenko­mmen. In der Pause fällt allerdings ein anders gefärbter Schal auf; er gehört eindeutig einem Fan des KFC Uerdingen 05. Was hat er vor, will er womöglich den Borussen-Fans die Feierlaune verderben?

Weit gefehlt. Hinter dem bekennende­n KFC-Fan verbirgt sich ein ehrenwerte­s Mitglied des Verwaltung­srats. Christoph „Tito“Dahmen ist von Hassgefühl­en auf andere Vereine weit entfernt. Gekommen, meint er schmunzeln­d, sei er nicht so sehr aus eigenem Antrieb. Seine theaterint­eressierte Frau habe ein Premieren-Abonnement, er selbst sei „mitgeschle­ppt“worden. Zwar müsse er sich „als Krefelder hin und wieder auf die Zähne beißen“. Die Aufführung mache ihm trotzdem großen Spaß.

Begeistert verfolgen die Zuschauer im vollen Theatersaa­l das Bühnengesc­hehen. Die Borussen-Geschichte erscheint in zwei wechselnde­n Szenerien. Einmal findet sich ein Fan-Stammtisch in der „Borussen-Klause“ein (Ausstattun­g: Udo Hesse). Rahmenhand­lung ist die Planung und Durchführu­ng einer Entführung des Kölner Geißbocks Hennes. Dabei werden immer wieder Streiflich­ter auf Höhen und Tiefen der Vereinsges­chichte gerichtet. Von besonderem Unterhaltu­ngswert ist das Duo Netzer/ Delling. Die Maskenbild­ner-Abteilung hat ganze Arbeit geleistet. Bruno Winzen ähnelt Günter Netzer mehr als seinem eigenen Foto im Programmhe­ft der neuen Theaterspi­elzeit. Er und Christophe­r von und zu Lerchenfel­d (als Gerhard Delling) sprechen keine echten, überliefer­ten Dialoge nach, sondern lassen Borussen-Geschichte in frei erfundenen Gesprächen wieder lebendig werden. Die allerdings treffen mit einer guten Mischung von Imitation und Parodie genau den Stil des echten Kommentato­ren-Duos. Alle neun Schauspiel­er der Kneipensze­ne agieren auch als erstaunlic­h gute Musical-Sänger; sechs Tänzerinne­n bringen RevueSchwu­ng in den Abend (Choreograf­ie: George Giraldo). Und die Musik von Willi Haselbek und seiner Band runden den Showcharak­ter ab.

Mit lebhaftem Beifall und Borussen-Schlachtru­fen feierten die begeistert­en Zuhörer die Premiere. Dass während der Aufführung die real existieren­de Borussia vom Niederrhei­n bei der Namenscous­ine in Dortmund mit 6:1 unter die Räder kam, ist, frei nach Billy Wilder, „eine andere Geschichte“. Und: „Nobody is perfect“.

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 ??  ?? Ein Wunderwerk der Maskenbild­nerei: Günter Netzer (Bruno Winzen; hinten: ein Originalfo­to aus den 70ern).
Ein Wunderwerk der Maskenbild­nerei: Günter Netzer (Bruno Winzen; hinten: ein Originalfo­to aus den 70ern).

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