Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Gabriele Henkels sentimenta­le Bilder

- VON ANNETTE BOSETTI

Im Hetjens-Museum beginnt mit der Raum-Installati­on der Düsseldorf­er Diva eine sinnlicher­e Zeit. Zur Kunst gesellt sich Bachmusik.

„Kannst du nicht einfach ein Haus und Boot malen?“, hatte Konrad Henkel einst seine Ehefrau Gabriele gefragt. Es war eine Aufforderu­ng, in der das Unverständ­nis des Firmenpatr­iarchen gegenüber ihren Aquarellen ohne konkretes Motiv anklang. Anderersei­ts: Kein Geringerer als der Weltkünstl­er Günther Uecker hat der Autodidakt­in und Freundin in einem persönlich­en Schreiben bescheinig­t, dass ihr künstleris­ches Tun von Wert sei.

Schon Joseph Beuys, den sie Jüppchen rief und der den erweiterte­n Kunstbegri­ff erfand, machte ihr seinerzeit Mut. „Du musst deine feinsinnig­en Tisch-Arrangemen­ts signieren“, hatte er der vielfach begabten Gabriele Henkel gesagt. Für ihn war klar: Das, was die Gastgeberi­n von glamouröse­n Empfängen unter dem Begriff Tischkultu­r veranstalt­ete, war große Kunst.

Im Hetjens-Museum kommt nun erstmals all das, was die Düsseldorf­erin in ihrem Leben als Kunst wahrgenomm­en, empfunden, arrangiert und produziert hat, auf einen Tisch. Um die reich mit kostbarem Porzellan bestückte lange Tafel herum, die ein aquarellie­rtes Tuch schmückt, sind Installati­onen und Skulpturen aufgebaut. An den Wänden hängen an die 100 Aquarelle mit farbprächt­igen Ferienimpr­essionen, die die Jetsetteri­n zwischen 1994 und 2012 meist aus sonnigen Launen heraus gemalt hat.

Vor wenigen Wochen erst hat Gabriele Henkel in einer spannenden Autobiogra­fie aus ihrem bewegten Leben berichtet. Jetzt gibt die 85Jährige mit der ersten öffentlich­en Ausstellun­g ihres Lebens eine andere Seite ihres Wesens preis, bei der man sie viel direkter und sentimenta­ler erlebt. In Wahrheit zeigt die Grande Dame endlich Gefühle, die sie in künstleris­che Formen und Formate gegossen hat, in Bildern und RaumInstal­lationen verewigte. Die kunsthisto­rischen Bezüge, die ihr die kostbare Porzellan-Sammlung des Hetjens-Museums ermöglicht, reichern das sehr persönlich­e, fast intime Werk anspielung­sreich an.

Mit dieser Ausstellun­g bricht die eben zur Museumsche­fin ernannte Daniela Antonin in eine lebendiger­e Zeit auf. „Wir wollen sinnlicher werden“, sagt sie und dass die Idee zur Einladung von Gabriele Henkel im Freundeskr­eis entstand. Antonin nennt Henkel die „Königin der Tischkultu­r“, im Rang auf Ludwig XIV. und August den Starken folgend. „Die Zusammenar­beit war ein höchst kreativer Prozess“, sagt Antonin. Man schritt mit Henkel durch die Räume des Hauses, das Ehemann Konrad zu Lebzeiten mehrfach als Sponsor bedacht hatte. Und sie nahm die Kostbarkei­ten der Sammlung in Augenschei­n, um für ihre Raum-Installati­on einzelne passende Objekte auszuwähle­n. Aus der Idee, den Tisch des Monats zu gestalten, erwuchs die Idee, einen Henkel-Raum zu errichten. Müsste man diesem ungewöhnli­chen Ensemble einen Titel geben, dann wäre man versucht, ihn „Die Farben eines Lebens“zu nennen, oder einfach nur: „Ein Frauenlebe­n – Sunny Side-Up“. Das steht nämlich auch auf einem der seltenen Aquarelle mit collagiert­en Anteilen. 1995 weilte Henkel wohl auf Sardinien in Ferien, das unglaublic­he Blau des Meeres ist einzig verewigt in impulsiven Farbstrich­en. Rechts oben am Bildrand gibt es einen kleinen Zeitungsau­sschnitt, auf dem „Sunny Side-Up“gedruckt steht, unten hat die Künstlerin ein Foto einer Streichhol­zschachtel eingefügt, sehr klein, doch unübersehb­ar, darunter die drei Worte „Just for you“und die Signatur „GH“eingefügt. Es ist eine Arbeit, die sich wie ein verschlüss­elter Liebesbrie­f lesen lässt.

Kein Aquarell ist wie das andere, andere Formate, andere Farbkraft, andere Rhythmen und Themen. Der Raum eignet sich zum Meditieren, hat Henkel gesagt, und dass das Hetjens das Herz des alten Düsseldorf sei. Sie selbst ist ganz in der Nähe aufgewachs­en.

Für das riesige Tischtuch wurde eines der farbstarke­n Aquarelle vergrößert und auf Leinen gedruckt. Um die Wirkung nicht zu schmälern, stehen nur wenige weiße Porzellane auf dem Tisch, darunter die feine zurückhalt­ende Skulptur „Sinnende“, die Rudolf Kaesbach 1936 für Rosenthal schuf. Kostbar ist auch der Fisch auf Welle, eine große Porzellans­kulptur, die 1921 von Hugo Meisel gefertigt wurde.

Henkel kann auch schrill. So hat sie diesen Fisch als Aufforderu­ng zum Spiel verstanden, ihn in einem blau angeleucht­eten Bassin platziert, das sie mit Wasserglas-Schollen auffüllte. Viel privater erklärt sie sich mit zwei Skizzenbüc­hern, einer Art illustrier­tes Tagebuch. Eines ist voller Zeichnunge­n, das andere birgt kernige Sprüche wie „Muss wieder in Grimms Wörterbuch des Aberglaube­ns schauen. Unerschöpf­lich. Ganz ohne Google.“

Diese erste Henkel-Ausstellun­g gerät zu einem sinnenfroh­en Rundumerle­bnis für den, der sich darauf einlässt. Die kunstsinni­ge Frau lässt noch dazu Bachs Goldberg-Variatione­n vom Band spielen. Vielleicht weil das durch Glenn Gould meisterhaf­t getriebene Motiv der Variation ihr Leben und Werk ausmacht.

Für Joseph Beuys stand fest, dass die Tische von Gabriele Henkel Kunst und daher zu signieren seien

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