Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
INTERVIEW DR. ULRICH BIEDENDORF „Wir sind auf einem sehr guten Weg“
Dr. Ulrich Biedendorf, Geschäftsführer bei der IHK, darüber, was Industrie und Handel für sauberere Luft in Düsseldorf tun können. Die IHK Düsseldorf vertritt rund 79.000 Mitgliedsunternehmen.
Wie groß ist die Verunsicherung in den Unternehmen angesichts diskutierter Maßnahmen zur Luftverbesserung wie Dieselfahrverbot und blauer Plakette? DR. ULRICH BIEDENDORF Die Verunsicherung unter den Gewerbetreibenden ist groß, weil es viele Spekulationen gibt. Betroffen ist besonders der Wirtschaftsverkehr, da hier der Diesel überwiegt. Dabei ist der Rechtsrahmen aktuell noch offen. Das Bundesverwaltungsgericht wird im ersten Quartal 2018 darüber entscheiden, ob Diesel-Fahrverbote nach aktuellem Recht zulässig sind. Ob und wann eine blaue Plakette kommt, ist auch unklar, weil der Bund dazu zunächst die Rechtsgrundlage schaffen müsste. Hinzu kommt die Hysterie, die um Dieselfahrzeuge gemacht wird, dabei tragen sie aktuell wesentlich zur CO2-Reduktion bei. Der Zeithorizont ist knapp, der Luftreinhalteplan soll bereits am 1. April 2018 eingeführt werden. Fürchten Sie, dass nun, weil es schnell gehen muss, zu brachialen Maßnahmen gegriffen wird? BIEDENDORF Das will ich nicht hoffen. Die Bezirksregierung hat bei unserem Round-Table das Jahr 2019 für erste Fahrverbote prognostiziert. Das hängt natürlich davon ab, wie gut alternative Maßnahmen wirken... Der neue Luftreinhalteplan soll alle möglichen Maßnahmen auflisten, mit denen die Luftqualität in Düsseldorf verbessert werden können. Was sind die aus Ihrer Sicht wichtigsten? BIEDENDORF Einzelheiten zum neuen Luftreinhalteplan sind natürlich noch nicht bekannt. Wichtig ist dabei in der Tat, so umfassend wie möglich alle denkbaren und sinnvollen Maßnahmen abzudecken. Dabei kommt es dann auf den Mix der Einzelmaßnamen an, um auch die Last entsprechend aufzuteilen. Denn es gibt eben nicht die eine, alle anderen überstrahlende Maßnahme, mit der wir das Problem einfach lösen können. Und: In der Öffentlichkeit überhaupt nicht beachtet ist, dass in Düsseldorf rund drei Viertel der zulässigen Stickoxid-Immissionen aus dem Umland stammen. Mit anderen Worten: Unabdingbar ist, bei der Luftreinhaltung auch das Umland mit einzubeziehen. Wie kann regionale Planung organisiert werden? BIEDENDORF Auch die Nachbar-Gebietskörperschaften müssen etwas tun. Da bietet sich natürlich die neue Metropolregion Rheinland als Koordinations-Plattform an. Denn auch Köln und Bonn sind ja von den Klagen der Deutschen Umwelthilfe betroffen. Und einen weiteren Vorteil hätte eine regionale Zusammenarbeit: Maßnahmen unter Einbeziehung des Umlandes dürften sehr viel nachhaltiger als isolierte Aktionen wirken, denn so wird von vornherein die Gefahr ausgeschlossen, dass Anstrengungen der einen wie etwa in Düsseldorf durch Laxheit der anderen sofort wieder konterkariert werden. Wie können Wirtschaft und Öffentlichkeit für das Thema Luftreinhaltung sensibilisiert werden? Was tut die IHK in diesem Zusammenhang? BIEDENDORF Es ist wichtig, der Öffentlichkeit bewusst zu machen, was ein Fahrverbot bedeutet. Nach unseren Schätzungen wären über 200.000 Fahrer von Dieseln und alten Benzinern, also Lieferanten, Pendler, Kunden und Einwohner, in Düsseldorf betroffen. Das hat schon erhebliche Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort. Wir sensibilisieren daher bereits seit Anfang dieses Jahres unsere Mitglieder zum Thema alternative Mobilität etwa durch Veranstaltungen, Positionen und intensive Öffentlichkeitsarbeit. Darüber hinaus bieten wir beispielsweise durch Firmentickets für kleine Unternehmen auch sehr praktische Hilfe. Ab dem kommenden Jahr wollen wir gemeinsam mit den anderen IHKs eine neue Qualifizierung zum „betrieblichen Mobilitätsmanager“anbieten. Dadurch können sich Unternehmen noch systematischer mit dem Thema befassen. Die IHK hat verschiedene Szenarien für Düsseldorf entwickelt – wie ist die Resonanz? BIEDENDORF Die Szenarien ergeben sich aus den Luftreinhalteplänen Stuttgarts und Hamburgs und den Erfahrungen, die wir bei der Entstehung der aktuellen „grünen“Umweltzone gemacht haben. 2009 gab es zunächst auch nur die kleine Variante innerhalb des Lastrings, die dann ab 2013 auf die heutige Größe ausgeweitet wurde. Sollte es tatsächlich zu Fahrverboten nach einem dieser Szenarien kommen, ist uns wichtig, den Kreis der Betroffenen möglichst gering zu halten, denn je größer die Zone, desto mehr Betroffene gibt es tendenziell. Sie sind gegen Diesel-Fahrverbote. Warum? BIEDENDORF Fahrverbote – sowohl generell, selektiv als auch temporär – sind keine effiziente Lösung des Problems. Denn sie mögen vielleicht kurzfristig wirken nach dem Motto: „kein Verkehr = keine Emissionen“. Nicht die Verbote vor Ort bestimmen die Umstellung der Fahrzeugflotten, sondern die generelle Verfügbarkeit modernster Technik. Fahrverbote sind also nicht nur fantasielos, sie legen auch den Wirtschaftsverkehr lahm. Ein Fahrverbot für alle Dieselfahrzeuge, die nicht die Euro 6-Norm erfüllen und alte Benziner, die von einer blauen Plakette wahrscheinlich ebenfalls betroffen wären, würde in Düsseldorf Besitzer von über 200.000 Fahrzeugen betreffen. Deshalb spricht sich die IHK Düsseldorf gegen Fahrverbote aus. Welche Alternativen sehen Sie? BIEDENDORF Zahlreiche Maßnahmen, die Einsparungen bei NO2- und bei CO2-Emissionen ermöglichen, sind überhaupt noch nicht ausgeschöpft. Naheliegend sind die Verbesserung des ÖPNV, der Verkehrslenkung sowie des Rad- und Fußverkehrs. Darüber hinaus bieten Digitalisierung und Elektromobilität Chancen, Verkehrsflüsse effizient und umweltschonend zu steuern. Im ÖPNV sind das Streckennetz und die Taktfrequenzen zu verdichten, mittelfristig Elektro-, Hybrid- und Wasserstoffbusse anzuschaffen. CityLogistik und betriebliches Mobilitätsmanagement, das Dienstreisen, Arbeitswege und Fuhrparks in Unternehmen unter ökologischen Aspekten optimiert, tragen ihren Teil bei. Wichtig ist, dass wir Düsseldorf zum Testfeld für Innovationen im Verkehr machen. Das kann uns aktuell beim Immissionsproblem helfen und auch langfristig Lösungen für Probleme wie Staus und Parkraumknappheit aufzeigen. Wie wichtig wird eine verbesserte City-Logistik? BIEDENDORF Das Thema gibt es ja bereits seit Mitte der 1990er Jahre. Allerdings wuchs der Markt damals längst nicht so dynamisch, wie er es – beflügelt durch den Online-Handel – heute tut. Dadurch ergeben sich natürlich neue Möglichkeiten für die Logistik. Interessant sind beispielsweise sogenannte Mikro-Hubs, bei denen Kurierdienste von kleinen Verteilstationen innerhalb der Innenstadt ausliefern. Auch die Bündelung von Lieferungen kann helfen, Verkehr zu vermeiden. Und letztlich bieten sich gerade innerstädtisch alternative Antriebe für die Belieferung an. Sie wollen Partnerschaften für effiziente und umweltgerechte Mobilität schließen. Wie können die aussehen? BIEDENDORF Wir arbeiten gerade intensiv gemeinsam mit Partnern daran, nachhaltige Mobilität in das Bewusstsein der Unternehmen aber auch der Mitarbeiter zu bringen. Es gibt aber auch einige Unternehmen, die bereits sehr viel in dieser Richtung tun und zahlreiche, die es gerne tun möchten. Diese Gruppen müssen wir zusammenbringen. Auch möchte ich den Eindruck entkräften, dass die Luft in Deutschland schmutziger denn je wäre. Seit 1990 sind die NOX-Emissionen um 60 Prozent gesunken, berechnet das Umweltbundesamt. Wir sind also auf einem sehr guten Weg und sollten nun mit Bedacht die weiteren Schritte einleiten.
DIE FRAGEN STELLTE JÖRG MEHL