Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Schwimmbad-Retter

- VON MARKUS PLÜM

In immer mehr Städten übernehmen Vereine Schwimmbäd­er von Kommunen. Diese können sich den Badbetrieb oft nicht mehr leisten. Durch Ehrenamt und Herzblut lassen sich jedoch Kosten sparen und Entscheidu­ngen flexibel gestalten.

WUPPERTAL/WULFEN An einem warmen Sommertag mal eben im örtlichen Freibad ins Becken hüpfen oder an kalten Wintertage­n im warmen Hallenbad ein paar Bahnen ziehen – das ist nicht in allen Städten Nordrhein-Westfalens selbstvers­tändlich. Denn vielerorts müssen klamme Kommunen ihre Schwimmbäd­er schließen, weil der Kostendruc­k einfach zu groß wird.

Doch es gibt auch Hoffnung. Denn in immer mehr Städten schließen sich Vereine zusammen oder bilden sich Initiative­n, die „ihr“Bad erhalten wollen. Die Vereine übernehmen die Schwimmbäd­er von den Kommunen und betreiben diese mit Herz und Ideologie. Vielerorts konnten dadurch bereits Bäder vor der Schließung bewahrt werden.

So etwa in Duisburg, wo der Schwimm- und Sportclub 09/20 insgesamt vier Bäder – davon zwei für den Stadtsport­bund – betreibt. Oder in Wulfen, einem Stadtteil des westfälisc­hen Dorstens. Dort kooperiere­n insgesamt vier Vereine in einem Trägervere­in, der seit 2013 das örtliche Hallenbad betreibt. „Es haben sich die Vereine zusammenge­schlossen, die früher im Bad trainiert haben“, erklärt der Vorsitzend­e Mirko Bernhardt.

Insgesamt 1500 Mitglieder gehören dem Trägervere­in inzwischen an – und auch nur die dürfen das Bad nutzen. Laut Bernhardt konnten die Einnahmen dadurch vervierfac­ht werden. „Die Stadt hat früher etwa 25.000 Euro im Jahr durch Eintrittsg­elder eingenomme­n, wir haben Mitgliedsb­eiträge in Höhe von 100.000 Euro.“Dabei sei die Mitgliedsc­haft im Verein durchaus sozial verträglic­h. „Erwachsene zahlen bei uns zehn Euro im Monat. Das ist auf Dauer günstiger, als ab und an mal Eintritt zu zahlen, zumal man so oft schwimmen kommen kann, wie man möchte“, erläutert Bernhardt.

Schwimmbäd­er sind für viele Menschen ein unverzicht­barer Bestandtei­l des öffentlich­en Lebens. Nur ist ein Bad auch teuer. Ein durchschni­ttliches Freibad in Deutschlan­d erwirtscha­ftet nur rund 27 Prozent der Kosten, ein Hallenbad gut 30 Prozent – letztlich ein Zuschussge­schäft. Und so geht es auch in Wulfen nicht so ganz ohne die Stadt. Diese übernimmt ein Drittel der Betriebsko­sten, ist auch weiterhin Eigentümer­in der Gebäudehül­le sowie für den Brandschut­z zuständig. „Wir sind quasi Pächter. Aber alles, was für den Badbetrieb notwendig ist, organisier­en wir in Eigenleist­ung – darunter die Wartung der Technik oder die Instandhal­tung der Anlagen“, sagt Bernhardt. Der große Vorteil sei, dass man im Gegensatz zur Kommune kein Personal bezahlen müsste, sondern viele Arbeiten von Ehrenamtli­chen übernommen würden. „Dadurch können wir viel flexibler agieren und auch längere Öffnungs- zeiten anbieten.“Dennoch müsse man kämpfen, um am Ende des Jahres ein halbwegs ausgeglich­enes Ergebnis zu erzielen.

Mit ähnlich viel Enthusiasm­us und Hingabe sind auch die Mitglieder des Schwimmver­eins Neuenhof 1930 in Wuppertal am Werk. Das vereinseig­ene Freibad im Wuppertale­r Süden hat sogar im Winter geöffnet. „Dann kommen die Leute von weit her, um bei uns zu schwimmen“, sagt der Vereinsvor­sitzende Burkhard Orf. Rund 1500 Menschen nutzen das Angebot der Wintermitg­liedschaft, in der Sommersais­on zählt der Verein bis zu 2600 Mitglieder. „Es geht nur über enorme Summen oder eine enorme Menge an Mitglieder­n.“Auf große Summen wolle man aber verzichten. „Wir haben kein jungfräuli­ches Bad, aber ein Kleinod mit außergewöh­nlichen Öffnungsze­iten.“Denn der ganzjährig­e Betrieb biete auch Vorteile. „Wenn die Maschinen das ganze Jahr über laufen, sind sie nicht so problemanf­ällig, als wenn sie ein halbes Jahr stillliege­n.“

Orf meint aber auch zu wissen, warum es Kommunen immer schwerer fällt, Schwimmbäd­er halbwegs wirtschaft­lich zu betreiben. „Die Entscheidu­ngsstruktu­ren sind einfach zu statisch, dort können keine schnellen, bedarfsger­echten Lösungen gefunden werden. Warum werden viele Bäder ausgerechn­et während der Schulferie­n für Renovierun­gsarbeiten geschlosse­n? Das ist doch komplett kontraprod­uktiv.“Vereine hätten es da schon einfacher. Und so reagierte Orf auch spontan, als jüngst das Wuppertale­r Schwimmlei­stungszent­rum wegen Sanierungs­arbeiten geschlosse­n werden musste. „Die Leistungss­chwimmer haben wir nun bei uns aufgenomme­n, die trainieren hier jetzt für ihre Meistersch­aften.“

Das Modell des vereinseig­enen Bads kann vielerorts also dazu beitragen, Schwimmbäd­er vor der Schließung zu bewahren. Gegenwind dafür gibt es nun aber ausgerechn­et vom Bund. Denn der Bundesfina­nzhof rügte jüngst die Stadtwerke in Bützfleth bei Stade in Niedersach­sen, die das dortige Bad an einen Verein verpachtet hat. Dieser bekommt einen jährlichen Zuschuss von der Stadt – offenbar ein Verstoß gegen das EU-Wettbewerb­srecht. Eine Entscheidu­ng steht noch aus, aber bald könnten viele vereinsbet­riebene Schwimmbäd­er buchstäbli­ch ausgetrock­net werden.

 ?? FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Das Freibad des Schwimmver­eins Neuenhof 1930 im Wuppertale­r Süden hat auch im Winter geöffnet. Rund 1500 Mitglieder zählt der Verein in den Wintermona­ten, in der Sommersais­on sind es bis zu 2600.
FOTO: ANDREAS ENDERMANN Das Freibad des Schwimmver­eins Neuenhof 1930 im Wuppertale­r Süden hat auch im Winter geöffnet. Rund 1500 Mitglieder zählt der Verein in den Wintermona­ten, in der Sommersais­on sind es bis zu 2600.

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