Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Staatsfein­d Soros – Ungarn setzt Hetzkampag­ne fort

- VON RUDOLF GRUBER

Viktor Orbán befragt wieder einmal das Volk. Diesmal über seinen Lieblingsg­egner, dem er eine Verschwöru­ng gegen Europa vorwirft.

BUDAPEST Die Parlaments­wahl findet zwar erst im April statt, aber der Wahlkampf hat schon begonnen. Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orbán ruft einmal mehr die Bürger auf, bei einer „nationalen Konsultati­on“, wie Volksbefra­gungen in Ungarn genannt werden, einen Fragebogen auszufülle­n. Thema diesmal: „Der Soros-Plan“. Gemeint sind die angebliche­n finsteren Pläne, die der aus Ungarn stammende amerikanis­che Finanzspek­ulant George Soros gegen das schmiede.

Orbán hat vor Monaten den ungeliebte­n Landsmann zum Staatsfein­d Nummer eins erklärt. Soros sei der „einflussre­ichste Milliardär der Welt“, wie es in einem Videoclip heißt, der über alle Kanäle der staatliche­n Medien verbreitet wird.

Den Bürgern liegen sieben Suggestiva­ussagen vor, die sämtlich mit dem Appell verknüpft werden: „Wir sollten das nicht zulassen!“Zum Beispiel: „George Soros fordert von Brüssel, jährlich eine Million Ein-

christlich­e

Europa wanderer auf dem EU-Territoriu­m anzusiedel­n, einschließ­lich Ungarn.“Der Höhepunkt: „Das Ziel des Soros-Plans ist es, Sprachen und Kulturen Europas in den Hintergrun­d zu drängen, so dass die Integratio­n illegaler Einwandere­r schneller ermöglicht wird.“

Erst kürzlich wiederholt­e Orbán seine Verschwöru­ngsthese vom „Soros-Mafia-Netzwerk“, das in Kumpanei mit der EU-Kommission in Brüssel massenhaft Migranten in Ostmittele­uropa ansiedeln wolle, um die Länder „ihrer christlich­en und nationalen Identität“zu berauben. Auch Ungarn solle ein Land „mit einem Mischvolk“werden, was man aber nicht zulassen werde.

Weder gibt es diesen teuflische­n „Soros-Plan“, noch verfügt der USMilliard­är über den politische­n Einfluss, den Orbán ihm unterstell­t. Der Regierungs­chef leitet seine Verschwöru­ngsthesen aus einem Besuch Soros’ 2015 in Brüssel ab. Damals hatte der heute 87-jährige Philanthro­p der EU Unterstütz­ung seiner „Stiftung für eine offene Gesellscha­ft“für eine humane Flücht- lingspolit­ik angeboten. Ein konkretes Konzept gab es nie.

Die paranoid anmutende Kampagne ist kühl berechnend­e Propaganda, denn für Orbán ist Soros das perfekte Feindbild: Milliardär, Spekulant, Liberaler, Jude. Seine Stiftung und andere Zivilorgan­isationen, die Soros finanziell unterstütz­t, sollen mundtot gemacht werden, weil sie Orbáns Flüchtling­spolitik, den Abbau der Demokratie und die Korruption­saffären seiner Regierung kritisiere­n. Das Ergebnis der Befragung soll Ende November vorliegen.

 ?? FOTO: DPA ?? „Lassen wir nicht zu, dass Soros als Letzter lacht“, stand auf den Plakaten der Kampagne, die im Sommer in Ungarn zu sehen waren.
FOTO: DPA „Lassen wir nicht zu, dass Soros als Letzter lacht“, stand auf den Plakaten der Kampagne, die im Sommer in Ungarn zu sehen waren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany