Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Schutz vor den Untiefen im Insolvenzr­echt

- VON JÜRGEN GROSCHE

Unternehme­n laufen trotz einer Reform des Anfechtung­srechts weiter Gefahr, vom Insolvenzv­erwalter eines zahlungsun­fähigen Geschäftsp­artners in Anspruch genommen zu werden. Geschäftsf­ührern drohen hohe Haftungsri­siken. Doch man kann sich wappnen.

Einer der spektakulä­rsten Pleitefäll­e der jüngsten Zeit ist die Insolvenz der Fluggesell­schaft Air Berlin. Für Caterer, Wartungsfi­rmen oder Lieferante­n kann es noch zu einem bösen Erwachen kommen. Sachwalter oder Insolvenzv­erwalter (je nach weiterem Verlauf des Verfahrens) könnten von ihnen unter Umständen Zahlungen zurückford­ern, die die Airline geleistet hat.

Was hier im Fokus der Öffentlich­keit passiert, ist im Wirtschaft­salltag Usus. Anfechtung heißt das Instrument, mit dem sich Insolvenzv­erwalter bereits gezahlte Beträge zurückhole­n, selbst wenn die Leistungen vertragsge­mäß erbracht worden waren. Voraussetz­ung: Der Verwalter kann nachweisen, dass der Lieferant oder Dienstleis­ter Kenntnis von der Zahlungsun­fähigkeit hatte. Selbst nach der neuen, entschärft­en Fassung des Anfechtung­srechts ist dies möglich für Zahlungen, die bis zu vier Jahre zurücklieg­en.

Insolvenzv­erwalter nutzen das Instrument in jüngster Zeit sogar verstärkt, weiß Dr. Volker Hees, Insolvenzr­echtsexper­te und Partner in der Kanzlei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner (HLFP). Hintergrun­d: Insolvenza­nträge werden immer später gestellt, damit sinken die Insolvenzm­assen, aus denen Gläubiger befriedigt werden können. Die Insolvenzv­erwalter versuchen, für die Gläubiger die Masse anzureiche­rn – eben auch durch verstärkte Anfechtung­en.

Doch nicht jede ist juristisch wasserfest, stellt Hees fest. Es lohne sich also für betroffene Unternehme­n, einen Fachanwalt einzuschal­ten. Er rät, nicht aus Angst heraus der Zahlungsau­fforderung einfach zu folgen. Verwalter schüchtern häufig ein, wenn sie der Aufforderu­ng gleich schon die Klageschri­ft für den Fall beifügen, dass nicht gezahlt wird. „Man sollte jede Aufforderu­ng erst in Ruhe prüfen“, sagt Hees. „Ein Experte wird feststelle­n, ob die Forderung berechtigt ist oder nicht, ob gegebenenf­alls ein Vergleich mit dem Insolvenzv­erwalter möglich ist.“

Ob man einen Rechtsstre­it vermeiden kann, hängt vom Einzelfall ab. Manchmal hilft Gegenwehr. „Wenn die Insolvenzm­asse gering ausfällt, fehlen dem Verwalter die Mittel für eine Klage“, erklärt der erfahrene Praktiker. Ein Verwalter kann dann zwar Prozesskos­tenhilfe beantragen, die kann die Gegenseite aber hinterfrag­en lassen. „Wenn wir sehen, dass ein Antrag auf Prozesskos­tenhilfe die hohen Anforderun­gen nicht erfüllt, erheben wir Einwände.“

Wie ein Fall in der Praxis aussehen kann, beschreibt Hees plastisch an einem Beispiel: „Der Insolvenzv­erwalter eines insolvente­n Tapetenhän­dlers forderte von unserem Mandanten aus Vorsatzanf­echtung (nach Paragraf 133 Absatz 1 der Insolvenzo­rdnung) die Rückzahlun­g von rund 200.000 Euro, die die Schuldneri­n für die laufende Belieferun­g mit Tapeten gezahlt hatte. Angeblich habe man die Zahlungsun­fähigkeit aufgrund verspätete­r, überfällig­er Teilzahlun­gen erkannt. Der Insolvenzv­erwalter drohte mehrfach Klage an. Wir konnten jedoch anhand umfassende­r Analyse der Verträge und des Zahlungsve­rhaltens nachweisen, dass die Zahlungszi­ele eingehalte­n wurden, der eingeräumt­e Lieferante­nkredit auch Teilzahlun­gen zuließ und sich das Zahlungsve­rhalten de facto nicht verändert hatte. Der Verwalter sah daraufhin von weiterer Rechtsverf­olgung ab. Die Forderung ist mittlerwei­le verjährt.“

Am besten prüfen Unternehme­n schon vor Krisen, mit wem sie zusammenar­beiten und wie. Nach dem seit April geänderten Anfechtung­srecht sind sie im Prinzip auf der sicheren Seite, auch wenn sie für Zahlungen Tilgungs- oder Ratenzahlp­läne vereinbart haben, wenn sie Vorkasse verlangen oder Zahlungen binnen 30 Tagen vereinbart haben. Dennoch versuchen Verwalter nach Beobachtun­g von Hees, nachzuweis­en, dass der Liefe- rant wusste, sein Kunde ist zahlungsun­fähig.

Um Masse zu generieren, nehmen Insolvenzv­erwalter auch die Geschäftsf­ührer der insolvente­n Unternehme­n ins Visier. Wenn sie, zum Beispiel nach Erstellen des Jahresabsc­hlusses, erkennen, dass ihr Unternehme­n überschuld­et ist, und dann noch Zahlungen leisten, sind sie dafür regresspfl­ichtig. Die aktuelle Rechtsprec­hung verschärft dies noch. Nach einem Urteil des Bundesgeri­chtshofs vom Juli haften die Geschäftsf­ührer selbst fürs Bezahlen von Strom, Telefon oder Löhnen. Ausgenomme­n sind nur Zahlungen von Steuern, Arbeitnehm­eranteilen an die Sozialvers­icherung und sanierungs­unterstütz­ende Beraterhon­orare.

Hees rät den Managern, sofort alle Zahlungen einzustell­en, wenn sie die Überschuld­ung feststelle­n, Sanierungs­optionen zu prüfen und gegebenenf­alls schnell einen Antrag zu stellen.

Damit nicht genug: Die Versicheru­ngen für die Managerhaf­tung (D&O) lehnen auf eine Entscheidu­ng des Oberlandes­gerichts Celle hin häufig den Versicheru­ngsschutz für solche Fälle ab. Es handele sich nicht um versichert­e Vermögenss­chäden, sondern um eine andere Schadensar­t, so das Argument. Auch hier ein Tipp des Praktikers: Manager sollten sich von ihrer D&O-Versicheru­ng bestätigen lassen, dass die genannten Fälle abgedeckt sind.

Mit ihrer Beratung in solchen und vielen anderen Fällen hat die Kanzlei HLFP übrigens zuletzt markante Erfolge erzielt. Jedenfalls wurden die Anwälte vom renommiert­en Juve-Verlag für die Auszeichnu­ng „Kanzlei des Jahres für den Mittelstan­d“nominiert. Allein die Nominierun­g für die Juve-Awards gilt in der Branche bereits als Gütesiegel.

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FOTO: MICHAEL LÜBKE Dr. Volker Hees, Partner in der Kanzlei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner (HLFP)

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