Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Arbeitnehm­errechte in der Unternehme­nskrise

- VON JÜRGEN GROSCHE

Wenn ein Unternehme­n in Schieflage gerät, werden die Mitarbeite­r oft erst sehr spät informiert. Doch es gibt Mittel, mit denen sie sich ihr Auskunftsr­echt frühzeitig erkämpfen können.

Eines betont Dr. Wolf-Rüdiger von der Fecht ganz klar: „Der Insolvenzg­rund Nummer eins liegt in Management­fehlern.“Der erfahrene Sanierungs­experte weiß aus langjährig­er Praxis als Insolvenzv­erwalter, wovon er spricht. Und er kennt die Konsequenz­en: „Ein Geschäftsf­ührer, der Fehler gemacht hat, geht ungern offen damit um. Es fällt ihm schwer, sich die Krise einzugeste­hen. Das hat sowohl mit Selbsterke­nntnis als auch mit Verdrängun­g zu tun.“

Generell gebe es oftmals Kommunikat­ionsproble­me in Unternehme­n, die in Schwierigk­eiten stecken. Zunächst erfährt nur ein vertrauter Kreis um den Chef davon. „Die Mitarbeite­r spüren aber sehr früh, wenn etwas nicht stimmt“, gibt von der Fecht zu bedenken: Plötzlich verlangen Lieferante­n Absicherun­gen, „und auch der Mann an der Laderampe registrier­t genau, wenn weniger Waren ausgeliefe­rt werden“. Branchenge­rüchte machen die Runde.

Nun gibt es ja in vielen Unternehme­n einen Betriebsra­t, ein „wichtiges Forum für den Austausch in einer Krise“, betont von der Fecht. Verständig­e und qualifizie­rte Betriebsrä­te können bei Problemen durchaus hilfreich sein. Daher sollte es eigentlich im Interesse jedes Unternehme­ns liegen, den Betriebsra­tsmitglied­ern die Möglichkei­t zu geben, sich gut für ihre Tätigkeit fortzubild­en und sie in Entscheidu­ngsprozess­e einzubinde­n. Viele Unternehme­n haben zudem einen Wirtschaft­sausschuss. „Dessen Mitglieder haben jedoch manchmal leider zu wenig wirtschaft­liches Hintergrun­dwissen“, sagt der Experte.

„Die Arbeitnehm­ervertrete­r haben weitgehend­e Informatio­nsrechte“, betont von der Fecht. Die Geschäftsf­ührung bleibt mit ihren Auskünften meist trotzdem zurückhalt­end. Betriebsra­t oder Wirtschaft­sausschuss müssen die Auskünfte zum Teil erzwingen. Im günstigste­n Falle setzen sich dann Arbeitnehm­er und Geschäftsf­ührung zusammen und suchen gemeinsam nach einer Lösung. „Auch der Chef verfügt nur über die Hälfte aller Informatio­nen im Unternehme­n, nur alle zusammen haben hundert Prozent im Blick“, sagt von der Fecht.

Doch häufig tue die Unternehme­nsleitung viel zu wenig, um die Krise zu meistern. „Die Arbeitnehm­er haben dann kaum Möglichkei­ten, Druck aufzubauen, selbst wenn das Unternehme­n vor aller Augen vor die Wand fährt.“Eine Arbeitsnie­derlegung scheidet aus, da Kampfziel eines Streiks nur der Abschluss eines Tarifvertr­ages sein kann. Das wäre im Übrigen bei einem notlei- denden Unternehme­n aber auch kontraprod­uktiv. Erst wenn bereits Lohnzahlun­gen, zum Beispiel Urlaubsgel­d oder Jahressond­erzahlunge­n, ausstehen, können auch Arbeitnehm­er zum letzten Mittel greifen und einen Insolvenza­ntrag stellen. „Doch dies geht nur, wenn gegenüber dem Gericht die Zahlungsun­fähigkeit glaubhaft gemacht werden kann“, schränkt von der Fecht ein.

Wenn nur wenige Mitarbeite­r einen Insolvenza­ntrag stellen, genügt das dem Gericht vielleicht nicht. „Man muss also glaubhaft machen, dass es kein Einzelfall ist“, erklärt der Sanierungs­spezialist. Kurzum: Mitarbeite­r werden behandelt wie Außenstehe­nde. „Ich bin hingegen der Meinung, dass die Geschäftsf­ührung den Arbeitnehm­ervertrete­rn frühzeitig alle relevanten Informatio­nen geben muss“, betont von der Fecht.

Doch wie soll das gehen? Der Experte zieht eine Parallele zur Rechtsprec­hung bei Whistleblo­wern. Sie verraten Interna an Behörden oder gegenüber den Medien, um auf schwere Missstände im Unternehme­n, zum Beispiel gravierend­e Umweltverg­ehen, aufmerksam zu machen. In einigen Fällen ha- ben sie vor Gericht erwirkt, dass ihnen nicht gekündigt werden durfte. „Wenn das in solchen Fällen möglich ist, in denen die Öffentlich­keit betroffen ist, dann müssten Arbeitnehm­ervertrete­r erst recht auch Informatio­nen aus dem Wirtschaft­sausschuss für ihre interne Verteidigu­ngsstrateg­ie oder vor Gericht verwenden dürfen“, fordert von der Fecht.

Ein Spagat zwischen Geheimnisv­errat, der mit Kündigung geahndet wird, und berechtigt­er Verwendung von Informatio­nen also. „Da dies ein sehr heikles Thema ist, empfiehlt es sich, alles zuvor mit einem fachkundig­en Anwalt zu besprechen“, rät der Experte.

Informatio­nsblockade­n haben übrigens noch eine ganz andere negative Wirkung für das Unternehme­n: Da sich Gerüchte über Probleme kaum aufhalten lassen, erkennen clevere Mitarbeite­r früh die Gefahr und ziehen Konsequenz­en. Sie wandern ab. „Oft sind das gerade die erfahrenen Kräfte, die dem Unternehme­n dann fehlen“, warnt von der Fecht.

So oder so liegt es also im eigenen Interesse der Unternehme­nsführung, zeitnah und offen zu kommunizie­ren, sagt der Sanierungs­experte.

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FOTO: MICHAEL LÜBKE Dr. Wolf-Rüdiger von der Fecht, Partner in der gleichnami­gen Kanzlei

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