Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Arbeitnehmerrechte in der Unternehmenskrise
Wenn ein Unternehmen in Schieflage gerät, werden die Mitarbeiter oft erst sehr spät informiert. Doch es gibt Mittel, mit denen sie sich ihr Auskunftsrecht frühzeitig erkämpfen können.
Eines betont Dr. Wolf-Rüdiger von der Fecht ganz klar: „Der Insolvenzgrund Nummer eins liegt in Managementfehlern.“Der erfahrene Sanierungsexperte weiß aus langjähriger Praxis als Insolvenzverwalter, wovon er spricht. Und er kennt die Konsequenzen: „Ein Geschäftsführer, der Fehler gemacht hat, geht ungern offen damit um. Es fällt ihm schwer, sich die Krise einzugestehen. Das hat sowohl mit Selbsterkenntnis als auch mit Verdrängung zu tun.“
Generell gebe es oftmals Kommunikationsprobleme in Unternehmen, die in Schwierigkeiten stecken. Zunächst erfährt nur ein vertrauter Kreis um den Chef davon. „Die Mitarbeiter spüren aber sehr früh, wenn etwas nicht stimmt“, gibt von der Fecht zu bedenken: Plötzlich verlangen Lieferanten Absicherungen, „und auch der Mann an der Laderampe registriert genau, wenn weniger Waren ausgeliefert werden“. Branchengerüchte machen die Runde.
Nun gibt es ja in vielen Unternehmen einen Betriebsrat, ein „wichtiges Forum für den Austausch in einer Krise“, betont von der Fecht. Verständige und qualifizierte Betriebsräte können bei Problemen durchaus hilfreich sein. Daher sollte es eigentlich im Interesse jedes Unternehmens liegen, den Betriebsratsmitgliedern die Möglichkeit zu geben, sich gut für ihre Tätigkeit fortzubilden und sie in Entscheidungsprozesse einzubinden. Viele Unternehmen haben zudem einen Wirtschaftsausschuss. „Dessen Mitglieder haben jedoch manchmal leider zu wenig wirtschaftliches Hintergrundwissen“, sagt der Experte.
„Die Arbeitnehmervertreter haben weitgehende Informationsrechte“, betont von der Fecht. Die Geschäftsführung bleibt mit ihren Auskünften meist trotzdem zurückhaltend. Betriebsrat oder Wirtschaftsausschuss müssen die Auskünfte zum Teil erzwingen. Im günstigsten Falle setzen sich dann Arbeitnehmer und Geschäftsführung zusammen und suchen gemeinsam nach einer Lösung. „Auch der Chef verfügt nur über die Hälfte aller Informationen im Unternehmen, nur alle zusammen haben hundert Prozent im Blick“, sagt von der Fecht.
Doch häufig tue die Unternehmensleitung viel zu wenig, um die Krise zu meistern. „Die Arbeitnehmer haben dann kaum Möglichkeiten, Druck aufzubauen, selbst wenn das Unternehmen vor aller Augen vor die Wand fährt.“Eine Arbeitsniederlegung scheidet aus, da Kampfziel eines Streiks nur der Abschluss eines Tarifvertrages sein kann. Das wäre im Übrigen bei einem notlei- denden Unternehmen aber auch kontraproduktiv. Erst wenn bereits Lohnzahlungen, zum Beispiel Urlaubsgeld oder Jahressonderzahlungen, ausstehen, können auch Arbeitnehmer zum letzten Mittel greifen und einen Insolvenzantrag stellen. „Doch dies geht nur, wenn gegenüber dem Gericht die Zahlungsunfähigkeit glaubhaft gemacht werden kann“, schränkt von der Fecht ein.
Wenn nur wenige Mitarbeiter einen Insolvenzantrag stellen, genügt das dem Gericht vielleicht nicht. „Man muss also glaubhaft machen, dass es kein Einzelfall ist“, erklärt der Sanierungsspezialist. Kurzum: Mitarbeiter werden behandelt wie Außenstehende. „Ich bin hingegen der Meinung, dass die Geschäftsführung den Arbeitnehmervertretern frühzeitig alle relevanten Informationen geben muss“, betont von der Fecht.
Doch wie soll das gehen? Der Experte zieht eine Parallele zur Rechtsprechung bei Whistleblowern. Sie verraten Interna an Behörden oder gegenüber den Medien, um auf schwere Missstände im Unternehmen, zum Beispiel gravierende Umweltvergehen, aufmerksam zu machen. In einigen Fällen ha- ben sie vor Gericht erwirkt, dass ihnen nicht gekündigt werden durfte. „Wenn das in solchen Fällen möglich ist, in denen die Öffentlichkeit betroffen ist, dann müssten Arbeitnehmervertreter erst recht auch Informationen aus dem Wirtschaftsausschuss für ihre interne Verteidigungsstrategie oder vor Gericht verwenden dürfen“, fordert von der Fecht.
Ein Spagat zwischen Geheimnisverrat, der mit Kündigung geahndet wird, und berechtigter Verwendung von Informationen also. „Da dies ein sehr heikles Thema ist, empfiehlt es sich, alles zuvor mit einem fachkundigen Anwalt zu besprechen“, rät der Experte.
Informationsblockaden haben übrigens noch eine ganz andere negative Wirkung für das Unternehmen: Da sich Gerüchte über Probleme kaum aufhalten lassen, erkennen clevere Mitarbeiter früh die Gefahr und ziehen Konsequenzen. Sie wandern ab. „Oft sind das gerade die erfahrenen Kräfte, die dem Unternehmen dann fehlen“, warnt von der Fecht.
So oder so liegt es also im eigenen Interesse der Unternehmensführung, zeitnah und offen zu kommunizieren, sagt der Sanierungsexperte.