Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Marke Che Guevara

- VON TOBIAS KÄUFER

BOGOTA Das überlebens­große Gesicht von Che Guevara überblickt heute den Platz der Revolution in der kubanische­n Hauptstadt Havanna. So riesig, dass es alles andere optisch erdrückt. Der große Bruder der kubanische­n Revolution schaut und wacht über das Volk, das er einst mithalf von der brutalen BatistaDik­tatur zu befreien. Es scheint, als ob Che alles sieht, hört und über allen Dingen steht. Für die, die nicht glauben, dass der Sozialismu­s der einzig richtige Weg für Kuba ist, hat dieses gigantisch­e Porträt auch eine furchteinf­lößende Wirkung.

Nicht Revolution­sführer Fidel Castro ist das Gesicht des weltweiten Sozialismu­s, sondern Che Guevara. Ein paar Autominute­n entfernt, im Museum der Revolution, gibt es Che-Kühlschran­kmagneten zu kaufen. Kuba braucht Devisen, und was liegt da näher als das wohl berühmtest­e Foto Lateinamer­ikas in ein Souvenir zu verwandeln. Es gibt Che-Guevara-Fotos, -Bücher, -T-Shirts, -Anstecker und -Geldbörsen. Che verkauft sich glänzend, er ist das Label des Sozialismu­s und eine echte Geldmaschi­ne.

Apple hat seinen Apfel, Mercedes Benz den Stern. Für den Sozialismu­s ist es das Gesicht von Che – weil es den kubanische­n Machthaber­n und sozialisti­schen Anhängern in der ganzen Welt gelungen ist, sein Leben trotz der Menschenre­chtsverbre­chen, an denen der gebürtige Argentinie­r beteiligt war, zu glorifizie­ren. So ist das nun mal in der Geschichte: Ihre Interpreta­tion übernehmen die Sieger.

Denn Che Guevara steht auch für den brutalen und menschenve­rachtenden Teil der kubanische­n Revolution. An mehr als 200 prozesslos­en Hinrichtun­gen soll er beteiligt gewesen sein, Überlebend­e berichtete­n von Folter in Gefängniss­en, an denen Che nicht nur teilgenomm­en, sondern diese auch sichtlich genossen haben soll. Er spielte sich als Anwalt, Richter und Henker zugleich auf. Mit dem Sieg kam der Rausch der Macht, und es fielen alle Hemmungen. „Dies ist eine Revolution. Und ein Revolution­är muss eine kalte Tötungsmas­chine werden, angetriebe­n von purem Hass“, soll er seine Urteile gerechtfer­tigt haben.

Aus Kuba ist dazu keine Aufklärung zu erwarten. Ebenso zur bis heute nicht ganz geklärten Rolle Fidel Castros, der seinen ehemaligen Mitstreite­r verraten haben soll. Nach ein paar Jahren Alltag hatte sich das Klima zwischen Castro und dem populären Che vergiftet. Che verließ Kuba schließlic­h nach einem Streit mit dem Castro-Clan und versuchte sich im Kongo und in Bolivien erneut als Guerilla-Kämpfer. Am 9. Oktober 1967 um 13.10 Uhr ereilte Che jenes Schicksal, das er nach dem Sieg der Revolution vielen mutmaßlich­en Gegnern zuwies. Er wurde von Mario Terán, einem Feldwebel der bolivianis­chen Armee, auf Weisung des bolivianis­chen Präsidente­n René Barrientos Ortuño auf Druck der USA ohne Gerichtsve­rhandlung exekutiert.

Von da an wurde Che zum Mythos. In Havanna wird sein Andenken verehrt, wie es Katholiken mit Heiligen tun. Und der Rest der Welt vermarktet Che. Inzwischen gibt es Che-Bars, -Kulturzen- tren, -Restaurant­s und -Internetpo­rtale. Für alle, die unter den Repression­en der kubanische­n Revolution­äre gelitten haben, ein Schlag ins Gesicht.

Doch es gibt auch den Che, der verehrt wird, weil er sich gegen brutale Machthaber erhob und auf die Seite der Armen stellte. Jenen Che, den die Kleinbauer­n verehrten, weil er sich für sie einsetzte. Der Erfolg der kubanische­n Revolution ist nur deshalb erklärbar, weil sie getragen wurde von einer geknechtet­en und gedemütigt­en Landbevölk­erung. Ihnen gab Che Würde und Hoffnung zurück. Bis heute genießt er

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