Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Gregor Gysi wünscht sich mehr als ein Leben

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BERLIN (kd) Gregor Gysi hat erst einmal Sendepause, was für die redegewalt­ige Ikone der Linken ein seltener und auch schwer zu ertragende­r Moment ist. Dabei geht es doch jetzt vor allem um ihn, den 69-Jährigen, den Politiker, Anwalt, Autor, Moderator, Vater. Er hat eine Autobiogra­fie geschriebe­n, und Peter Altmaier, der Kanzleramt­sminister, Christdemo­krat und politische Gegner soll sie vorstellen. Und so lässt der belesene, sprachbega­bte Saarländer und Vertraute von Angela Merkel im Deutschen Theater in Berlin gestern seinen Gedanken freien Lauf.

Über Erinnerung­en an den PolitStar Gysi Mitte der 1990er Jahre, dessen Widerspruc­hsgeist und die Gründe, warum die Union mit der Linken nicht koalieren kann. Altmaier ist unter Zeitdruck, er muss gleich die Union retten, die sich zum Krisengipf­el mit Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer trifft, um Gemeinsamk­eiten für eine JamaikaKoa­lition auszuloten. Altmaier und Gysi – die Kombinatio­n ist unge- wöhnlich, und sie verspricht eine Kontrovers­e. Das ist Gysis Lebenselix­ier, die Debatte, das Ringen, die Suche nach der besten Lösung. Genau das würdigt Altmaier und sagt, sie hätten auch etwas gemeinsam: das Menschlich­e in den Mittelpunk­t zu rücken. Politisch gehe es aber nicht zusammen, etwa weil die Linke gegen die Nato sei. Als Gysi endlich zu Wort kommt – Zuschauer verlangen schon danach – kontert er listig, die Linke wolle nicht die Abschaffun­g der Nato, sondern quasi eine neue Nato, nur mit Russland.

Und das könne man als Vision in einen Koalitions­vertrag schreiben. Altmaier werde sich noch wundern, wie viele Visionen am Ende in einem Koalitions­vertrag mit FDP und Grünen stehen werden. Sein facettenre­iches Leben mit all seinen Höhen und Tiefen schildert Gysi über 583 Seiten. Er kommt zu dem Schluss: „Ein Leben ist zu wenig.“Sein Epilog lautet aber: „Ich bin wild entschloss­en, das Alter zu genießen.“

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