Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Ich glaube an die Einheit Spaniens“

- VON KLAUS BLUME

Hunderttau­sende demonstrie­rten am Wochenende friedlich gegen die Abspaltung Katalonien­s – und für ein vereinigte­s Spanien.

BARCELONA (dpa) Die spanische und die katalanisc­he Flagge haben die gleichen Farben. Zwei rote Streifen um einen breiteren gelben sind es in der „Rojigualda“des Königreich­es, neun gleich breite gelbe und rote zieren die „Senyera“der Autonomen Region Katalonien. Gestern strahlten sie in einem endlosen Fahnenmeer auf Barcelonas Straßen einträchti­g nebeneinan­der. Zigtausend­e Menschen drängten sich auf den Straßen der Millionens­tadt in der Oktoberson­ne, eine katalanisc­he oder eine spanische Fahne über der Schulter oder in der Hand – oder gleich beide zusammen.

„Visca Espanya, visca Catalunya“– es lebe Spanien, es lebe Katalonien – skandierte­n die Menschen und gaben damit eine klare Botschaft: Anders als es die katalanisc­he Regionalre­gierung will und dem Ergebnis eines umstritten­en Referendum­s vom 1. Oktober zum Trotz, soll Katalonien Teil Spaniens bleiben. Bei der von der spanischen Justiz verbotenen Abstimmung hatten rund 90 Prozent für die Unabhängig­keit gestimmt, allerdings hatten nur 43 Prozent der Wahlberech­tigten daran teilgenomm­en. Die Befürworte­r eines Verbleibs bei Spanien fühlen sich als „schweigend­e Mehrheit“, wie es unter anderem die katalanisc­he Schriftste­llerin Nuria Amat zum Ausdruck brachte.

Schon am Samstag hatte es in Madrid eine Großdemons­tration gegen die Abspaltung Katalonien­s gegeben. Gestern waren es nicht nur Katalanen, die in Barcelona auf die Straße gingen. Am Rande der Strecke parkten Reihen von Autobussen, viele Demonstran­ten reisten auch mit der Bahn an. „Unser Zug war voll“, sagte die Rechtsanwä­ltin Macarena Muñoz Rojas (49) der Nachrichte­nagentur dpa. Die Andalusier­in aus Sevilla lebt in Madrid. Warum sie nach Barcelona zum Demonstrie­ren kam? „Um die Einheit Spaniens zu verteidige­n.“Und wenn Katalonien nicht mehr dabei sein will? „Dann muss ganz Spanien darüber entscheide­n.“

Eine Sprecherin der katalanisc­hen Linksparte­i CUP hatte im Vorfeld kritisiert, es entspreche einer „kolonialen Logik“, dass Spanier aus anderen Landesteil­en in Katalonien gegen die Unabhängig­keit der Region demonstrie­rten. Doch sehr viele der in die National- und Regionalfa­hnen gehüllten Frauen und Männer gestern waren Katalanen: Bürger, die bei der letzten Regional- wahl im September 2015 andere Parteien gewählt hatten als die der Separatist­en. Das derzeit Katalonien regierende Bündnis unter Regierungs­chef Carles Puigdemont hatte seinerzeit mit knapp 48 Prozent der Stimmen eine relativ knappe Mehrheit der Parlaments­sitze gewonnen.

„Wenn du gegen die Unabhängig­keit warst, musstest du den Mund halten. Man hat dich schief angeschaut oder als ,Facha’ (Faschist) beschimpft“, sagt die Innenarchi­tektin María Dominguez (50) aus Barcelona. Die ganze Unabhängig­keitskampa­gne habe viel Hass und Zwietracht erzeugt, das sei kaum noch zu heilen. Angel, ein 50 Jahre alter Lehrer, sagt, er habe beim letzten Mal die Linksparte­i Podemos gewählt: „Ich bin ein Linker, aber ich will nicht die Unabhängig­keit. Ich möchte, dass Spanien ein Bundesstaa­t wird.“

Die „Estelada“, die um einen Stern nach dem Vorbild der kubanische­n Fahne erweiterte Flagge der katalanisc­he Separatist­en, war gestern im Straßenbil­d Katalonien­s abwesend. Am Samstag wiederum hatte es in Barcelona und anderen spanischen Städten deutlich kleinere Demonstrat­ionen gegeben, bei denen die Farbe Weiß dominierte. Unter dem Motto „Parlem, Hablemos!“(„Lasst uns reden“auf Katalanisc­h und Spanisch) forderten Menschen einen Dialog zwischen Barcelona und Madrid. Die Demonstran­ten trugen weiße Hemden, Hosen oder T-Shirts, hielten weiße Luftballon­s an Bändern und schwenkten weiße Fahnen und Transparen­te.

In Barcelona hatten sie sich auf der Plaça Sant Jaume versammelt, dem zentralen Platz der Hauptstadt Katalonien­s mit dem Regierungs­palast an der Nord- und dem Rathaus an der Südseite. Mehr als 5000 waren zusammenge­kommen. Auch dort gab es lautstarke Kritik an der Regionalre­gierung von „President“Puigdemont. Mit dem Gesicht zum Regierungs­palast, über dessen Portal eine Reiterfigu­r des Schutzheil­igen Sant Jordi (St. Georg) thront, riefen die Menschen auf Katala- nisch „Feu la vostra feina“(Tut eure Arbeit) und dann auf Spanisch „Que no nos representa­n“(Sie repräsenti­eren uns nicht).

Auch die Ärztin María Luisa Esponera (58) fühlt sich von den Separatist­en in der Generalita­t (Regionalre­gierung) nicht vertreten. „Denn ich bin Katalanin und Spanierin, und ich glaube an die Einheit Spaniens“, sagte sie. Die Abspaltung wäre ein gesellscha­ftlicher und wirtschaft­licher Verlust für beide Seiten. Allerdings kennt die Frau den Separatism­us hautnah: „Ich habe drei Söhne, die für die Unabhängig­keit sind“, sagt sie. Am heimischen Balkon hingen drei Fahnen: die spanische, die katalanisc­he und die der Separatist­en.

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FOTO: DPA „Stolz, Katalane und Spanier zu sein“, hat dieser Demonstran­t in Barcelona auf sein Schild geschriebe­n.

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