Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Risse in Amerikas Schmelztie­gel

- VON HELENE PAWLITZKI

In Miami leben Menschen unterschie­dlichster Herkunft zusammen. Doch das Klima hat sich seit der Trump-Wahl verändert.

MIAMI Normalerwe­ise wird hier nicht geredet, jedenfalls nicht auf Englisch, und schon gar nicht über Politik. Im Maximo-Gomez-Park in Little Havanna, Miami, wird gespielt. Domino. Aber George Bravo, 55 Jahre alt, Beruf „was mit Handel“, geboren auf Kuba, zu Hause in Miami, macht eine Ausnahme. „Was denkt ihr eigentlich?“, ruft er. „Dass wir offene Grenzen zu Kuba wollen? Nein!“, ruft er erregt. „Aus Kuba kommen viel zu viele unerwünsch­te Elemente.“

Etwas mehr als die Hälfte der ExilKubane­r in den USA haben Donald Trump gewählt und viele vermutlich genau deshalb: Weil sie nicht finden, dass weitere Menschen das Recht haben, nach Amerika zu kommen – wie sie selbst es einst taten. „Das ist doch keine Frage von Fairness“, sagt George Bravo. „Es ist eine Frage der Ressourcen. Wie viele Einwandere­r kann ein Land realistisc­h aufnehmen?“Er liest die englische Ausgabe des „Spiegel“, und er hat auch eine sehr klare Meinung zur deutschen Immigratio­nspolitik: „Ihr müsst doch einfach sehen, dass ihr all diese Menschen, die Merkel reingelass­en hat, niemals werdet integriere­n können! Wie viele von denen sind denn für die Einführung der Scharia?“Für George ist der deutsche Umgang mit den Flüchtling­en nicht weniger als eine Katastroph­e. Doch das sieht man nicht überall in Miami so.

Freitagabe­nd. Männer laufen durch den strömenden Regen in die Miami-Gardens-Moschee, streifen ihre Sandalen ab und verschwind­en im riesigen, hell erleuchtet­en Gebetsraum. Viele von ihnen tragen traditione­lle arabische Gewänder, weiß und knöchellan­g. Auch Abdul Hamid Samra, der Imam. „Danke, Deutschlan­d“, sagt er. „Deutschlan­d hat den syrischen Flüchtling­en die Tür geöffnet. Auch, wenn es jetzt schwierig ist.“Abdul Hamid Samra ist selbst Syrer. Seit 1991 lebt der Dozent für Elektrotec­hnik in Miami. Die Muslime dieser Gemeinde stammen wie er aus dem Nahen Osten, andere aus Afrika, Asien, Südamerika. Für viele ist das Leben schwierige­r geworden seit Trump.

Mohammeds Frau trägt Hidschab. Ihr wurde unlängst im Supermarkt gesagt, sie möge zurückgehe­n, wo sie hergekomme­n ist. Er selbst wird bei jeder Auslandsre­ise am Flughafen besonders gründlich kontrollie­rt. Mustapha, 20, hört auf dem Campus seiner Universitä­t deutlich offenere antimuslim­ische Kommentare. Es gehe ihm gar nicht um sich selbst, sagt Abdul Rashid, 65. „Aber ich mache mir Sorgen, dass meine Enkel in der Schule diskrimini­ert werden.“

Bei größeren Veranstalt­ungen bezahlt die Gemeinde mittlerwei­le 50 Dollar pro Stunde, damit die Polizei vor der Tür steht. „Ich hasse euch. Ich werde euch alle erschießen“, hatte ein Mann auf den Anrufbeant­worter der Moschee gesprochen. „Ihr seid wertloser Dreck. Fahrt zur Hölle.“Das war im Frühjahr 2017. Schon einige Monate zuvor war ein ähnlich lautender Brief eingegange­n. Im Juli nahm das FBI einen 35-jährigen Security-Mann wegen des Drohanrufs fest. Imam Abdul Hamid Samra sieht sehr wohl Donald Trump in der Verantwort­ung: „Er redet ja nicht nur über Muslime schlecht, sondern auch über Mexikaner, Frauen, Schwarze. Und natürlich ermutigt er damit Menschen, die schon am Abgrund stehen, etwas Schlimmes zu tun.“

„Du wirst alle Völker vertilgen, die der Herr, dein Gott, dir geben wird“, lautet am nächsten Tag der Text der Tora-Lesung in der Aventura-Turnberry-Synagoge. „Die Bilder ihrer Götter sollst du mit Feuer verbrennen.“Ansonsten ist die Stimmung während des Gottesdien­stes friedlich. Der neue Rabbi predigt. Er kommt aus Buenos Aires und wurde eingestell­t, weil immer mehr Mitglieder der Gemeinde ebenfalls lateinamer­ikanische Wurzeln haben. Andere kommen aus Russland, Osteuropa oder Israel. „Südflorida ist der Inbegriff des Schmelztie­gels“, sagt Elliot Karp, Leiter der Synago- ge. Doch auch den Juden hier macht Sorge, wie sich das Klima verändert hat. „Eindeutig hat der Antisemiti­smus zugenommen“, sagt Karp.

Wie die Moschee hat auch die Aventura-Turnberry-Synagoge Vorkehrung­en getroffen: ein hoher Zaun, ein Sicherheit­sdienst, Identitäts­kontrolle am Tor. In den ersten Wochen dieses Jahres hatte es fast 100 Bombendroh­ungen gegen jüdische Einrichtun­gen in den USA gegeben. Die meisten stellten sich als Angstmache heraus. Doch für die Mitglieder der Aventura-TurnberryS­ynagoge sind die Drohungen real, seit im Mai 2016 ein extremisti­scher Muslim verhaftet wurde. Er hatte von Undercover-Agenten des FBI eine Bombenattr­appe gekauft, um die Synagoge zu sprengen.

Dass die wachsende Intoleranz die Gesellscha­ft nicht zerreißt, ist dem besonderen Kitt zu verdanken, der Amerika zusammenhä­lt: dem Glauben an die USA, wo jeder frei und gleich ist. „Ich mag den Präsidente­n nicht“, sagt Abdul Hamid Samra. „Aber er ist der Präsident. Und ich bin froh, in dieser Demokratie zu leben, in Frieden und Gerechtigk­eit. Ich glaube immer noch, dass dieses Land das Beste ist, das es gibt.“

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FOTO: RP

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