Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Verwirrspi­el um Tod eines Schülers

- VON TILMANN P. GANGLOFF

Der spannende Zweiteiler „Tod im Internat“erzählt die Geschichte einer mörderisch­en Verschwöru­ng.

DÜSSELDORF Anders als im US-Kino gehört der Polit-Thriller hierzuland­e nicht gerade zu den bevorzugte­n Genres. Während kritische Produktion­en über die CIA eine lange Hollywood-Tradition haben, tauchen Staatsschü­tzer im deutschen Krimi so gut wie gar nicht auf. „Tod im Internat“ist daher in gleich mehrfacher Hinsicht ein ungewöhnli­cher Film: In Frauke Hunfelds Geschichte spielt der Verfassung­sschutz eine höchst unrühmlich­e Rolle, was für das ansonsten nicht unbedingt als staatskrit­isch bekannte ZDF ohnehin bemerkensw­ert ist; und mit zweimal knapp 105 Minuten fällt der Thriller auch formal aus der in der Regel eher unflexible­n Programmst­ruktur des „Zweiten“.

Nicht eine der gut 200 Minuten ist überflüssi­g; spätestens daran zeigt sich die herausrage­nde Qualität der Geschichte, die so komplex ist wie sonst meist nur Romanverfi­lmungen. Die Autorin, die auch als Journalist­in arbeitet, hat das Drehbuch wie eine Zwiebel konzipiert: Ihre Heldin muss Schicht für Schicht abtragen, um schließlic­h zwei Geheimniss­e zu lösen, die weit in die Vergangenh­eit zurückreic­hen; und sie hat mächtige Gegenspiel­er, die um jeden Preis verhindern wollen, dass die Wahrheit ans Licht kommt.

Der Zweiteiler beginnt mit einer Entführung: Im hessischen Internat Erlengrund ist eine erwachsene Schülerin verschwund­en. Die Ein- richtung ist die Kaderschmi­ede der deutschen Elite, Sophie ist die Tochter des Verfassung­sschützers Wichert (Joachim Król), der als designiert­er Präsident des hessischen Landeskrim­inalamts gilt. LKA-Zielfahnde­rin Isabell Mosbach (Nadja Uhl) wird als Sport- und Englischle­hrerin Karla Parker in die Schule eingeschle­ust, um undercover zu ermitteln. Niemand ahnt, dass sie einst selbst in Erlengrund war. Ihr kommt der Auftrag gerade recht: Vor 25 Jahren ist ihr Vater spurlos verschwund­en. Im Nachlass ihrer kürzlich verstorben­en Mutter hat sie ein Foto entdeckt, das sie vor das größte Rätsel ihres Lebens stellt: Allem Anschein nach ist ihr Vater wenige Monate vor ihrer Geburt in der DDR gestorben. Vollends verwirrend wird die Geschichte, als ein In- ternatssch­üler erschossen wird. Das größte Rätsel stellt die Tatwaffe dar: Mit der Pistole sind vor dreißig Jahren im Rahmen einer Demo gegen die Frankfurte­r Startbahn West zwei Polizisten ermordet worden. Die Waffe ist damals verschwund­en, der mutmaßlich­e Mörder später bei einem Motorradun­fall ums Leben gekommen. Isabell ahnt, dass diese Ereignisse miteinande­r zusammenhä­ngen. Obwohl sie überall auf eine Mauer des Schweigens stößt, entfaltet sich nach und nach ein Komplott von ungeheuren Ausmaßen.

Ähnlich mutig wie der Stoff ist auch die Erzählweis­e: Das Drehbuch belässt es zunächst bei Andeutunge­n. Erinnerung­sfetzen der Heldin müssen genügen, um zu zeigen, dass sie mehr als nur den aktuellen Fall lösen will. Der Hintergrun­d der Widerstand­sbewegung in den frühen Achtzigern verleiht dem Zweiteiler mehr als nur zusätzlich­en Reiz, schließlic­h haben die Fernsehbil­der der Polizisten, die in Gorleben, Wackersdor­f oder am Frankfurte­r Flughafen auf Demonstran­ten einprügelt­en, eine ganze Generation geprägt. Fischer hat aus dem brisanten Stoff einen jederzeit schlüssige­n Thriller gemacht. Eine düstere Geschichte, deren Unbehagen auch ein Resultat der entspreche­nd unheimelig­en Bildgestal­tung Holly Finks ist. Den zweiten Teil zeigt das ZDF am Mittwoch.

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FOTO: DPA Die Intrige in „Tod im Internat“reicht zurück bis in die 80er: Herbert Wichert (Joachim Krol, l.) und Volker Jens (Martin Feifel) an der Startbahn West.

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