Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Krefelds überragend­e Rolle in der Industrieg­eschichte

- VON MANFRED MEIS

Die Entwicklun­g der Firmen in den 1920er Jahren soll in einem Projekt von VHS und Stadtarchi­v untersucht werden.

Wenn im Jahre 2019 die kulturelle­n Impulse gefeiert werden, die vom Bauhaus in Weimar nicht nur in der Architektu­r ausgingen, wird Krefeld dabei eine wichtige Rolle mit seinen Mies van der Rohe-Bauwerken spielen. Sie wurden von Unternehme­rn errichtet, denen es offensicht­lich gut ging. „Wie gut ging es der Industrie in den1920er Jahren insgesamt?“, fragt nun Stefanie van de Kerkhof, Privatdoze­ntin für Wirtschaft­sgeschicht­e an der Universitä­t Mannheim und als gebürtige Uerdingeri­n immer noch mit einem Bein in Krefeld verwurzelt. Vor zahlreiche­n geschichts­interessie­rten Krefelder Bürgern trug sie ihre Projektide­en bei der Volkshochs­chule (VHS) vor; derzeit finden Gesprächsr­unden „Industrieg­eschichte selbst erlebt“statt.

Krefeld sei Ende des 19. Jahrhunder­ts die „reichste Stadt im Kaiserreic­h“gewesen, heißt es immer mal wieder, doch wie sah das nach dem Ersten Weltkrieg mit Inflation und unter belgischer Besetzung aus? Van de Kerkhof spricht nach ersten Nachforsch­ungen in Archiven und Bibliothek­en von einer „desolaten Quellenlag­e“, die keine eindeutige Bewertung zulasse. Deshalb hofft sie, dass einige Krefelder „noch mal in ihren Keller schauen, ob sich nicht da noch Dokumente finden“. Denn sie will Slogans wie den der „Samt- und Seidenstad­t“auch für diese Zeit mit schriftlic­hen Quellen unterfütte­rn, „es darf nicht beim Marketing-Sprech bleiben“.

In ihrer Rückschau auf die Krefelder Industrieg­eschichte, die mit Textil begann und sich dann über Chemie und Maschinenb­au fortsetzte, stellte sie vor allem die überragend­e Rolle von Unternehme­rn bei Firmengrün­dungen und technische­n Weiterentw­icklungen heraus: Edmund ter Mer (Chemie, heute Bayer), die Familien Stockhause­n (Chemie, heute Evonik), die Kleinewefe­rs (Maschinenb­au, heute Jagenberg), Siempelkam­p (Anlagenbau), Lange und Esters (Textil, Ver- seidag). Dass ab der Mitte der 1920er Jahre wieder viel Geld in der Stadt gewesen sein muss, macht van de Kerkhof an den zahlreiche­n repräsenta­tiven Bauten aus: „Ein Viertel der Krefelder Gebäude stammt aus den 1920er Jahren.“

Vorrangig will sich die promoviert­e Volkswirts­chaftlerin mit der Textilausr­üstungsges­ellschaft (TAG), der Verseidag (1919 aus sechs Webereien gebildet) und ter Mer (später IG Farben, dann Bayer) befassen. Doch auch das Umland hat sie im Blick, weil dort ebenfalls Pioniere Weltgeltun­g erlangen, etwa Tonnar (Maschinenb­au, Dülken), Girmes (Textil, Oedt), oder weil Produktion­en dorthin ausgelager­t wurden (vor allem von der Verseidag). Die Firmen der einstigen Textilbaro­ne von der Leyen und de Greiff, die Krefeld schon im 18. Jahrhunder­t weltbekann­t gemacht hatten, haben den Forschungs­zeitraum im 20. Jahrhunder­t nicht mehr erlebt.

Da die Überliefer­ung aus der jüngeren Zeit „vergleichs­weise schwach“ist, hofft auch Stadtarchi­var Olaf Richter auf „interessan­te Quellen und persönlich­e Erinnerung­en an die Krefelder Industrieg­eschichte“aus den Gesprächsr­unden, die derzeit jeweils donnerstag­s von 17.30 bis 19 Uhr im VHS-Haus stattfinde­n. Stefanie van de Kerkhof will dann in einem Jahr erste Ergebnisse präsentier­en.

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