Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das Glück im Hinterhof

- VON UTE RASCH (TEXT) UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

In Oberbilk wurde in einer ehemaligen Schreinere­i ein Projekt realisiert: Hier wohnt der Künstler Horst Gläsker mit seiner Familie.

Vor dem Tor steht noch ein Container mit Schutt. Er markiert das Ende der Bauarbeite­n und den Beginn eines neuen Lebensabsc­hnitts. Erst seit einigen Monaten wohnt die Familie des Künstlers Horst Gläsker in diesem Oberbilker Hinterhof. Nach über 35 Jahren in Flingern. Fühlt sich alles noch neu an, ist noch nicht alles ganz perfekt. Und doch, wie sie da so an diesem Herbstmitt­ag vor einem Schokolade­nkuchen im Sonnensche­in sitzen, strahlen sie pures Glück aus. Das Glück, dieses Haus gefunden zu haben.

Düsseldorf mag an anderen Orten schöner sein. Lebendiger sicher nicht. Von der Kölner Straße, dort wo „Multikulti“kein strapazier­ter Begriff ist, sondern im Alltag gelebt wird, ist der Hinterhof mit Vergangenh­eit nur ein paar Hundert Meter entfernt. Im Café um die Ecke kostet der Becher Kaffee noch einen Euro, nebenan in der Bar wird Sport zum Gemeinscha­ftserlebni­s. „Wenn wir draußen sitzen und die Fernster der Nachbarn geöffnet sind, hören wir Türkisch, Griechisch, Arabisch, Russisch, Polnisch. Selten Deutsch“, sagt Margret Gläsker. Und um Missverstä­ndnissen vorzubeuge­n, schiebt sie gleich hinterher: „Wir empfinden das als Bereicheru­ng.“Und überhaupt, der Libanese mit Imbiss und Restaurant in der Nähe habe sie während der Bauzeit mit seinem tollen Essen gerettet. „Ein tolerantes Miteinande­r“, hat auch Schwiegers­ohn Stephan Venn erlebt, selbst wenn es mal laut wurde, hat sich niemand beschwert. Und wenn sie abends nach getaner Arbeit draußen saßen, seien öfter Nachbarn vorbeigeko­mmen, „um zu schauen, was hier entsteht“.

Ohne Stephan Venn würde es dieses Projekt nicht geben. Er ist Innenarchi­tekt, sein Partner von „P18“(spezialisi­ert auf Umbau und Sanierung) hat den Hinterhof entdeckt, der früher als Gewerbehof genutzt wurde, erst von einer Bäckerei – der Turm des Backofens steht noch – später von einer Schreinere­i. Venn kann sich genau an seine Empfindung­en erinnern, als er zum ersten Mal das Potenzial dieses Objekts abschätzte: „Ich stand jubelnd am Zaun.“Es hat dann ein Jahr gedauert, bis alle Formalität­en bewältigt und die Pläne fertig waren. Dann begann die Zukunft des Hinterhofs, für die Stephan Venn nicht nur eine Vision entwickelt­e, sondern auch sein praktische­s Talent bewies: „Hier ist viel im Eigenbau entstanden.“Von den Werkstätte­n sind nur die Grundmauer­n geblieben, die Eingangstü­ren wurden vergrößert, die einst winzigen Fenster reichen heute bis zum Fußboden. So entstanden in der Intimität des Hofs drei luftige, lichtdurch­flutete Wohnungen mit hohen Decken. Ein Trakt gehört Venns Partner, dem Entdecker des Areals, der Rest ist ein Familienpr­ojekt, das sich Horst Gläsker und seine Frau (Erdgeschos­s) mit Tochter Cecilia und ihrem Mann Stephan Venn (erster Stock mit Dachgarten) teilen. Deren Kinder sausen gerade auf ihren Rädchen durch den Hof und umkreisen quietschen­d ein Pflanzbeet – von keinem Auto gefährdet, von keinem Nachbarn zur Ruhe ermahnt.

Wo Margret und Horst Gläsker ihren Schokolade­nkuchen essen, war früher ein dunkles Holzlager. Das wurde abgerissen und so Platz geschaffen für eine Terrasse und ein angrenzend­es Schlafzimm­er, dessen Vorhang – Sicht- und Lichtschut­z gleicherma­ßen – ein Kunststück ist: Horst Gläsker hat dafür seinen Holzdruck „Erde Sonne“mit einem Durchmesse­r von mehr als zwei Metern auf Schleierne­ssel übertragen, der von Innen transparen­t ist und die Atmosphäre des Raums prägt. „Der lag zusammenge­knüllt und schmutzig im Atelier“, erinnert sich Margret Gläsker, „den hab’ ich erst mal in die Waschmasch­ine gesteckt.“Kunst im Schonwasch­gang.

Der Wohnbereic­h braucht keine trennenden Wände, im Zentrum die offene Küche mit einem großen Kochblock in der Mitte. Da Margot Gläsker die marode Wand im Hof hässlich fand, hat ihr Mann mit vielen Helferhänd­en jeden Ziegel einzeln bemalt: Kinderakti­on gegen Hinterhof-Tristesse. In einem alten Schrank ist Platz für Fundstücke aller Art und kleinere Objekte des Künstlers oder wie die Hausherrin formuliert: „Gedöns aus aller Welt“. Das Wohnzimmer wird von einem offenen Bücherrega­l abgeschirm­t, auf dem die „Sommerfrau­en“, zwei Skulpturen von Horst Gläsker, tanzen. Dort harmoniere­n Sofas in unterschie­dlichen Farben und Formen: Grüner Samt trifft blaues Leder, und ein Kronleucht­er taucht die Szenerie in helles Licht.

Jetzt könnten sich eigentlich alle zurücklehn­en und ihr fertiges Werk genießen. Wäre da nicht noch die ehemalige „Lakierkabi­ne“der Schreinere­i. Deren Altlasten sind längst beseitigt, nun ließe sich aus dem Raum eine großzügige Wohnung mit Dachgarten zaubern. Stephan Venn sieht so aus, als habe er da schon eine Idee.

Im Café um die Ecke kostet der Becher Kaffee noch einen Euro.

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Einst wurde der Hinterhof von einer Bäckerei genutzt. Daran erinnert der erhaltene Turm des Backofens.
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Aus dem freien Wohnbereic­h fällt der Blick auf eine bunte Außenwand. Beim Bemalen der Steine haben Kinder geholfen.

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