Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

WOCHENENDE 21./22. OKTOBER 2017

- FOTO: RCA

uns der Song „But We Lost It“. Die Lyrik der Alecia Beth Moore (wie Pink mit bürgerlich­em Namen heißt) findet poetische Worte dafür: Das Leben erinnert sie an „some sad empty castle in the sky“. Und manchmal sitzt sie dann daheim, „in these four walls“, und fühlt sich wie eine Verlorene unter lauter Fremden: „There’s a stranger, he’s lying in my bed“.

Und was sagt ihre Stimme zu all diesen Verwicklun­gen, die das Leben einem einbrockt? Die hat ihren typischen Sound nicht verloren, diese schmelzend­e, leicht rauchige, nach Leben und hochprozen­tigem Konsum schmeckend­e Altstimme. Als Pink vor ein paar Jahren mit dem Jazzpianis­ten Herbie Hancock das großartige „Imagine“-Album aufnahm, wirkte sie in ihren Duetten mit den Kollegen Seal und John Legend, als habe sie ihre Stimmbände­r vor der Aufnahme eigens in einen doppelten Brandy eingelegt; es klang hinreißend. Diese Schmauchsp­uren sind jetzt getilgt, aber das macht den Sound nicht langweilig. Jetzt hat Pink zuzusetzen, und wenn sie sich in ihren Balladen in die Höhe schraubt – und ein zweigestri­chendes F schafft sie locker –, dann wird die Luft zwar dünn, aber das Authentisc­he gewinnt. Vor allem wenn sie aus der Mittellage direkt in die Oktave geht, erhöht das dermaßen den Charakter der Dringlichk­eit, dass man mitten im Lied ein zweites Mal elektrisie­rt wird.

Dringlich ist das Klima beispielsw­eise in „What About Us“, das Wochen vor der Veröffentl­ichung des Albums als Single ausgekoppe­lt wurde – für alle Fans erkennbar als geheime Nachfolger­in von „Dear Mr. President“. Die Debatte, sagt Pink in jenem Interview, dulde keinen Aufschub, wie man mit Frauen, Minderheit­en und Fremden umgehe, und dafür entwickelt sie den Typ der fetten Dancefloor-Hymne, in der ihre Stimme und der Sound nicht twittern, sondern stampfen. Zwar ist Donald Trump nicht persönlich gemeint, aber der Präsident muss sich trotzdem warm anziehen. Pink, geboren im Bundesland Pennsylvan­ia, in dem die Träume vieler kleiner Leute beerdigt wurden, sieht sich als ihr Sprachrohr. Über rechtsradi­kale Kräfte daheim sagt sie unverblümt: „Ja, ich habe Angst, dass wir in den USA gerade diesen Weg beschreite­n. Ich bin der festen Ansicht, dass die schlimmste­n Dinge in der Geschichte der Menschheit des- halb passiert sind, weil die Leute glaubten, sie könnten nicht passieren.“Diese Erkenntnis – Pink weiß es – gilt interkonti­nental.

Ja, „Beautiful Trauma“ist eine ernste Platte, die nichts ausklammer­t, sogar die letzten Dinge nicht. Für Pink ist klar, dass („I Am Here“handelt davon) am Ende der Leibhaftig­e auf sie wartet, aber Angst hat sie vor dem Teufel nicht. Sie möchte nur wissen, wohin man denn geht, wenn alles vorbei ist: „Where does everybody going when they go“?“

Wer jetzt fürchtet, dass „Beautiful Trauma“vielleicht doch eine sehr trübe, fast existenzia­listische Platte sei, der wird beim Hören immer wieder aufatmen, wie Pink ihren Witz und ihren Humor schmuggelt. Drastisch zeigt sie, welchen Umgang ihre Sprache über Jahre gehabt hat. Und in ihrem Duett mit dem Rapper Eminem kehrt sie alle süßen Rachefanta­sien zusammen, die ein betrogener Mensch entwickeln kann, und schüttet sie in einer geradezu umwerfende­n Rap-Orgie aus.

Eine Strophe ist Eminem vorbehalte­n, der sich in die Zusammenar­beit mit Pink in einem saukomisch­en Prozedere begab. Sie schrieb ihm nach einigen Gläsern zu viel eine emotionale Mail und trug ihm, leicht angeschick­ert, einen gemeinsame­n Song an. Er antwortete. „Okay“. Ein Wort, mehr nicht. Nach einigen Tagen fragte sie nach, und Eminem schickte gleich ein Tape – als seinen Anteil zum Song „Revenge“. Wenn Opfer triumphier­en: Hier tun sie’s im Duett.

So ist Pink: in der Seele noch ein Kind, im Geist eine Erwachsene. Und in die Stimme mischen sich Versuchung, Trost und jene Wut, die aus einem ungezähmte­n Herzen kommt. „Beautiful Trauma“ist ein hinreißend­es Album.

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