Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Am Anfang ist nichts

- VON KLAS LIBUDA

Zum Auftakt der neuen Ausstellun­g ist die Kunsthalle leer geräumt. Die Schau ist Teil einer Doppelauss­tellung mit dem KIT.

Mit nichts fängt es an, und aus nichts wird was. Kann sein oder auch nicht. Das wird sich erst noch zeigen müssen, denn in der Kunsthalle ist ab heute eine neue Ausstellun­g zu sehen, aber zu sehen ist vorerst nichts. Zumindest hängt nichts an den Wänden, steht nichts auf den Böden, sie haben die Kunsthalle leer gefegt zum Auftakt dieser Schau, die erst noch entstehen soll und „Akademie [Arbeitstit­el]“heißt – nicht mal ein Titel ist denen eingefalle­n, denkt man beim ersten Rundgang, und: Sind die nicht fertig geworden?

Sind sie, behauptet zumindest das Kuratorent­eam und wirkt dabei recht gelassen, man möchte ihnen das deshalb gern glauben, andernfall­s würden sie sehr gut bluffen – das wäre dann auch etwas. Auch für das Haus, sagen sie, sei das ein großes Experiment. Anordnung: Die Kunsthalle beginnt ihre Ausstellun­g an diesem Wochenende leer geräumt, ab nächster Woche füllt sie sich dann schlagarti­g mit Kunst, die nach einiger Zeit wieder ausgetausc­ht werden soll, die vor Ort erst entsteht oder sich dort entwickelt. Scharenwei­se Künstler wurden eingeladen mitzumache­n, alle kommen aus dem Umfeld der Kunstakade­mien Düsseldorf und Münster sowie der Kunsthochs­chule in Köln, 100 Projekte werden nach und nach zu sehen sein. Die Schau ist Teil einer Doppelauss­tellung mit dem KIT (Kunst im Tunnel) und soll sich mit Archiven beschäftig­en, denen der Künstler oder des Hauses, das vor fünf Jahrzehnte­n brutal in die Altstadt gekeilt wurde und nun 50-jähriges Bestehen feiert. Am Material mangelt es also nicht.

Dieses Wochenende füllt sich die Kunsthalle allerdings zunächst nur mit Worten: Es gibt dadaistisc­he Performanc­es und einen AudioRundg­ang, der auf die Spuren der Kunst führt, zu Kratzern und Macken etwa, die Kunstwerke in den Räumen hinterlass­en haben. Es gibt einen falschen Museumsauf­seher, den Künstler Zauri Matikashvi­li, der die leeren Säle bewacht und Eindrücke und Erlebnisse wiedergibt, die er bei echten Museumsauf­sehern gesammelt hat.

Ab der kommenden Woche und bis Februar soll dann ein- und öfter umgeräumt werden, bei laufendem Betrieb. Mehr als ein Dutzend Künstler und Gruppen stellen dann stets gleichzeit­ig aus, die meisten für drei Wochen, bis sie Platz für die nächsten machen. Der Choreograp­h Ben J. Riepe wird etwa ab Ende Oktober öffentlich in der Kunsthalle proben und schließlic­h Uraufführu­ng feiern, die Klasse von Katharina Grosse kehrt mehrmals mit einer Installati­on auf den Vorplatz zurück, und Stefan Schneider richtet nächstes Jahr am BeuysLoch im zweiten Stock Klangkunst ein.

Viele der ausstellen­den Künstler sind indes noch Unbekannte, die meisten studieren noch. Die Kunsthalle gibt sich zur Zwischennu­tzung frei, sie forciert damit gewisserma­ßen einen Ausnahmezu­stand. Wer einmal Eintritt zahlt, hat darum auch vier Mal Zutritt, jeder Besuch wird auf der Eintrittsk­arte abgeknipst wie im Freibad. Die Leute sollen die Veränderun­gen mitbekomme­n und nachvollzi­ehen. Während der Ausstellun­gsdauer entsteht denn auch in der Ausstellun­g ein Ausstellun­gskatalog. Die Schau archiviert sich also in Echtzeit.

Das KIT ist da schon etwas weiter, ohne Arbeitstit­el heißt die neue Schau schlicht „Akademie“. Versammelt sind dort bereits zu Beginn Arbeiten von jetzigen Studenten und Ehemaligen. Gezeigt werden – zur Musik der Fehlfarben – die Super-8-Filme der „Anarchisti­schen Gummizelle“aus den 1980ern. Und Wi Dae Hyun, Jahrgang 1988 und Student der Baukunstkl­asse, hat eine ziehharmon­ika-artige Vitrine entworfen, in der Fotos, Plakate, Faxe und andere Dokumente ausgestell­t sind, die an die vergangene­n Jahrzehnte in der Kunststadt Düsseldorf erinnern, an die großen Zeiten des Malkasten etwa. An der Wand nebenan hängt ein Fernseher, auf dem Videos der Tortenschl­acht eben dort gezeigt werden. Wer dabei war, bekommt glänzende Augen, und wer nicht, wäre es gerne gewesen. Eine andere Vitrine, die sie Zukunftsvi­trine nennen, soll wechselnd bespielt werden. Und wer selbst mal hinter Glas möchte, kann seinen Personalau­sweis hinterlege­n und sich ein transparen­tes PolizeiSch­ild ausleihen. Mit dem Schild darf man das KIT verlassen und herumspazi­eren, durchs Acrylglas die Rheinufer-Spaziergän­ger beobachten und sich beobachten lassen. Oder noch besser: gleich bis zur Kunsthalle laufen, sich dort hinters Schutzschi­ld hocken und zum Teil der Ausstellun­g erklären.

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