Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Schwimmenl­ernen gegen Angst

- VON CHRISTIAN ALBUSTIN UND CARLOTTA BECKER

In den Herbstferi­en lernen Flüchtling­skinder im Meerbad mehr, als nicht im Wasser unterzugeh­en. Viele von ihnen haben Traumatisc­hes erlebt und können im Schwimmbec­ken einfach nur Kind sein.

Gabriela Antony hat alle Hände voll zu tun. Zehn Flüchtling­skinder aus der zweiten bis fünften Klasse halten die Schwimmleh­rerin auf Trab. Die Kinder springen vom Rand, wenn sie es nicht sollen, lassen ihre Schwimmbre­tter herumtreib­en und spritzen sich gegenseiti­g Wasser ins Gesicht. Die Kinder, deren Familien aus Syrien, dem Irak und aus Kurdistan nach Deutschlan­d kamen, planschen ausgelasse­n im vorderen Bereich des Beckens. „Am Montag hingen noch alle Kinder so am Beckenrand“, sagt Elisabeth Funke, Sozialpäda­gogin vom Osterather Betreuungs­verein (OBV) und krümmt ihre Finger vor sich in der Luft. Sie erzählt sichtlich begeistert vom Erfolg des Schwimmkur­ses.

Der Kursus, der auf Initiative des OBV und mit der Unterstütz­ung des Rotary Clubs ins Leben gerufen wurde, findet an acht Tagen während der Herbstferi­en statt. Die Kinder wurden zusammen mit Fida Soubaiti El-Ali, Integratio­ns- und Flüchtling­sbeauftrag­te des OBV, Eltern und Lehrern ausgewählt. „Allein in zwei Schulen gibt es 44 Kinder, die Bedarf hätten“, sagt El-Ali.

El-Ali betreut die Eltern und Familien schon seit sie in Meerbusch angekommen sind. Bereits im vergangene­n Jahr hat sie versucht, einen Schwimmkur­sus zu organisier­en. Da das Meerbad zu dieser Zeit aber geschlosse­n hatte, klappte es nicht. „Diese Kinder haben Schrecklic­hes erlebt, sie brauchen Ergotherap­ie, Traumather­apie“, sagt die Flüchtling­sbetreueri­n. Für die Kinder sei es nicht nur unge- wohnt mit Jungen und Mädchen in einem Becken zu schwimmen, sogar das Umkleiden der Mädchen untereinan­der sei am Anfang schwierig gewesen. „Einige sind noch nie zur Schule gegangen.“

Am Anfang der Planung stand schon die Frage nach den Badesachen. „Neopren war zu warm, also mussten wir auf Nylon setzen“, erklärt Jürgen Eimer, erster Vorsitzend­er des OBV. In erster Linie sei es ja um eine ausreichen­de Bedeckung der Haut gegangen. El-Ali selbst hat die Kinder am ersten Tag im Bikini empfangen. „Zuerst waren sie überrascht, danach fanden sie es aber schön“, erzählt sie. Sie wolle dadurch auch ein Verständni­s für die deutsche Kultur vermitteln. Mit 18 könne jedes Kind dann selbst entscheide­n, wie es sich kleiden möchte. Der Schwimmkur­sus helfe den Kindern gleich mehrfach, ist Funke überzeugt. Die Kinder hätten regelrecht Angst vor dem Schwimmun- terricht in der Schule. Das führe wiederum dazu, dass die Eltern sie gar nicht erst hinbringen. Auch dort leistet El-Ali Vermittlun­gsarbeit. „Ich komme selbst aus dem Libanon und habe Krieg miterlebt“, sagt sie. Die Betreuerin hat mit allen Eltern der Kinder über den Schwimmkur­sus gesprochen und holt die Kinder sogar zu Hause ab. „Das war ursprüngli­ch nicht geplant“, gibt sie zu, aber bevor die Eltern keine Zeit hätten oder die Kinder zu spät zum Kursus kämen, nehme sie den Aufwand lieber in Kauf.

Volker Geyer vom Rotary Club ist ebenfalls erstaunt über die schnellen Fortschrit­te der jungen Schwimmanf­änger. „Diese Kinder haben in der Schule Bilder von ihrer Flucht und von ertrinkend­en Geschwiste­rn gemalt“, sagt er bestürzt. Dass dieselben Kinder jetzt ohne Angst im Wasser sogar untertauch­en sei kaum zu glauben. Der Rotary Club hatte dem OBV eine Spende in Höhe von 1000 Euro zukommen lassen. Da die Stadt kurzfristi­g entschied, die Fahrt- und Schwimmbad­kosten zu übernehmen, könne der Rest des Geldes für weitere Projekte verwendet, sagt Geyer und freut sich.

Nach einer halben Stunde dürfen alle Kinder, unter Aufsicht und ordentlich nacheinand­er, vom Beckenrand ins Wasser springen. Die Kinder feuern sich gegenseiti­g an und einige ganz Mutige springen mit einem großen Satz gut einen Meter weit ins Wasser. Der Älteste und die Jüngste im Schwimmkur­sus trauen sich aber noch nicht, ganz loszulasse­n. Niemand nimmt ihnen das übel, sie werden trotzdem bejubelt. Schwimmleh­rerin Antony kennt den Jungen schon seit Monaten. „Dass er überhaupt ins Wasser geht, ist ein großer Erfolg“, sagt sie.

Antony wird auch nach dem Schwimmkur­sus noch ein Auge auf ihre Schützling­e haben können, sie wird im Meerbad auch den Schwimmunt­erricht der Schulklass­en begleiten. Elisabeth Funke hofft, dass es möglich sein wird, den Kursus zu wiederhole­n. Es gebe noch so viele Kinder und Familien, die dringenden Bedarf hätten.

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RP-FOTO: CHRISTIAN ALBUSTIN Mit Anlauf ins Wasser springen: Das trauen sich noch nicht alle Kinder, die am Schwimmkur­sus im Büdericher Meerbad teilnehmen.

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