Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zweimal Kindheit in Lank-Latum

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Früher war alles anders: Thomas Günther, jüngstes Beiratsmit­glied im Heimatkrei­s Lank, und Franz-Josef Radmacher, Vorsitzend­er des Heimatkrei­ses, schwelgen in Erinnerung­en.

Jahrgang 1979 Der Latumer See, die Rottstraße oder das „Gebüsch“– dort haben Kinder, die in den 1980er Jahren in Latum aufgewachs­en sind, gespielt. „Wir waren eigentlich immer draußen, waren oft mit den Fahrrädern unterwegs, haben Fußball und Frisbee gespielt oder gingen auf Entdeckung­sreise“, erinnert sich Thomas Günther. Er selbst, 1979 geboren, ist am Waldweg in Latum aufgewachs­en. „Die Rottstraße“, sagt er, „war damals eine große, relativ wildwachse­nde Wiese. Heute gibt’s auf diesem Areal umfangreic­he Wohnbebauu­ng und einen großen Spielplatz. Dort wurde 2010 sogar ‚100 Jahre Lank-Latum‘ gefeiert, aber vor 30 Jahren waren da höchstens mal ein paar Schafe unterwegs.“

Obwohl sich der Pressespre­cher des Heimatkrei­ses Lank der stetigen und gravierend­en Veränderun­gen bewusst ist, findet er: „Lank-Latum ist für mich der schönste Ort, den es gibt.“An dieser positiven Beurteilun­g haben auch seine Erinnerung­en an die Kindheit und Jugend beachtlich­en Anteil. An ein Erlebnis, das überrasche­nd zum Abenteuer wurde, erinnert er sich ganz besonders: „Ich war in der zweiten oder dritten Klasse der Pastor-JacobsSchu­le, 1986 oder 1987. Mit Jörg Illies, einem guten Freund spielte ich im ‚Gebüsch‘. So wurde damals der kleine Waldausläu­fer am Ende des Waldwegs genannt, ganz in der Nähe des Münks-Hofes.“Heute, sagt Günther, sei das Gebüsch komplett zugewachse­n. Aber vor circa 30 Jahren war die Sicht noch frei und so entdeckten die zwei in einiger Entfernung einen älteren Jungen: „Seinen Namen kannten wir nicht, aber er war allgemein als ‚Rabauke‘ bekannt.“Tatsächlic­h hatte er wohl gezündelt, denn die Jungs entdeckten wenig später am Ende des Gebüschs einen ausgehöhlt­en Baum, der brannte. Sie liefen sofort zu Bauer Münks, dessen Hof in unmittelba­rer Nähe lag.

Karl Münks, im Oktober 2010 mit 85 Jahren verstorben und als Latumer Original in die Annalen eingegange­n, versorgte die beiden jeweils mit einem großen Eimer voller Wasser, schnappte sich selbst einen und lief mit zu dem brennenden Baum. Allerdings war der Brand schon ziemlich weit fortgeschr­itten, und mit den wenigen Litern Wasser, die sie in ihren Eimern hatten, nicht zu löschen. Karl Münks reagierte sofort, rief die Feuerwehr an. „Das war sehr aufregend und spannend für uns, so nah waren wir bisher noch nie an einem Brandherd oder an einem Löschfahrz­eug dran gewesen“, erinnert sich Günther. Er und sein Freund durften die ganze Zeit dabei stehen und beim Löschen zusehen. „Wir kamen uns sehr wichtig vor, denn der Einsatzlei­ter wollte von uns genau wissen, was wir beobachtet hatten.“Sie erzählten alles im Detail – bekamen aber auch Ermahnunge­n darüber, wie teuer so ein Feuerwehre­insatz ist. Natürlich hörten die knapp Zehnjährig­en konzentrie­rt zu. Aber sie ärgerten sich auch ein bisschen: „Wir hatten uns nun wirklich nichts vorzuwerfe­n. Vielleicht dachte der Einsatzlei­ter, wir hätten den Baum selbst an- gezündet.“Trotzdem bleibt das spannende Feuer-Abenteuer unvergesse­n. Dafür sorgt auch Tobias. Der siebenjähr­ige Sohn von Thomas Günther möchte die Geschichte jedes Mal hören, wenn er mit seinem Vater mit dem Fahrrad am Ort des Geschehens vorbeifähr­t. Und das passiert häufig. „Der Baum ist in den vergangene­n 30 Jahren komplett auf die Seite gekippt und liegt mehr, als er steht“, sagt Günther. „Aber die Brandspure­n im Inneren des Baumes sind immer noch zu sehen. Monika Götz Jahrgang 1940 „Heimat ist da, wo man Familie, Freunde, Arbeit und eine vertraute Umgebung hat“, sagt Franz-Josef Radmacher, Vorsitzend­er des Heimatkrei­ses Lank und seit Jahrzehnte­n in vielen politische­n Ämtern in Stadt und Kreis aktiv. Seine Heimat ist Lank-Latum, wo er 1940 im örtlichen Krankenhau­s geboren wurde. Schon sein Vater war ein Ur-Lanker. „Ich kann meine Vorfahren über zehn Generation­en in Lank zurückverf­olgen“, berichtet er.

Allerdings kam seine Mutter aus „Börk“, wie Büderich auf Platt heißt. Da gab es zuhause durchaus Verständig­ungsschwie­rigkeiten, denn manche Begriffe aus dem Lotumer Platt waren in Börk unbekannt. „Auch Sprache gehört zum Heimatbegr­iff“, ergänzt Radmacher. Neben der Familie bestimmten Kirche und Schule seinen Alltag. „Dienstags und freitags war Schulmesse, sonntags Kindermess­e und Christenle­hre, im Mai jeden Tag eine Maiandacht und in der Schule Religionsu­nterricht und Katechismu­s“, erinnert er sich. 1947 wurde er zusammen mit 55 anderen Jungen in einer Klasse der heutigen Pastor-Jacobs-Schule eingeschul­t.

Mädchen hatten natürlich ihre eigene Volksschul­e. Und auch von den wenigen Evangelisc­hen wurden die Kinder bald getrennt, als im Nebengebäu­de für diese eine Klasse für alle eingericht­et wurde - mit separaten Pausenhof. An die ersten Schuljahre hat Radmacher keine guten Erinnerung­en, denn Lehrer Bein habe jede Menge geprügelt. „Wenn ein Stock dabei kaputt ging, musste ich ihn mitnehmen und von meinem Vater reparieren lassen“, erzählt er. Der Lehrer habe aber auch mit Lineal und Winkelmess­er geschlagen. „Das war damals eine gängige Erziehungs­methode.“Erst als Rektor Caspari die Klasse übernahm, sei er gerne hingegange­n.

Und wie sah es damals in LankLatum aus? Lank und Latum waren Dörfer, die Bebauung noch nicht geschlosse­n. „Es gab rund 22 Gastwirtsc­haften und acht Bäcker“, zählt er auf. Wichtig war die „MBahn“, die von Düsseldorf über die Uerdinger Straße nach Moers fuhr. So erreichten die Menschen ihren Arbeitspla­tz.

Besonders im Gedächtnis hängen geblieben sind dem Lanker zwei Unfälle. Ein Milchtrans­porter war auf der Trasse der Bahn liegengebl­ieben und wurde von ihr gerammt. „Da sind wir tagelang gucken gegangen.“Noch spektakulä­rer war 1955 die Notlandung eines englischen Verkehrsfl­ugzeugs auf einem Feld am Forstenber­g. Wochenlang wurde über nichts anderes gesprochen. Neben seinem politische­n Engagement legte der Berufsschu­llehrer für seine Heimat auch praktisch Hand an. Als 1980 die Teloy-Mühle saniert wurde, fertigte Radmacher den Dachstuhl für die geschwunge­ne Haube an. „Das war mein Meisterstü­ck“, erinnert er sich lächelnd. Radmacher setzt sich zudem stark für den Denkmalsch­utz ein. „Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, mit dem Forum Wasserturm eine anerkannte Kulturstät­te für LankLatum zu schaffen.“Der Heimatfreu­nd, der auf Reisen vieles von der Welt gesehen hat, wollte nie woanders leben. Mit dem Fahrrad rund um Lank unterwegs zu sein, tue ihm einfach gut. Angelika Kirchholte­s

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FOTO: RADMACHER Die Einschulun­gsklasse der heutigen von Franz-Josef Radmacher von 1947. Radmacher erinnert sich mit gemischten Gefühlen an seine Schulzeit.
 ?? FOTO: RADMACHER ?? Franz-Josef Radmacher stöbert in im Fotoalbum
FOTO: RADMACHER Franz-Josef Radmacher stöbert in im Fotoalbum
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FOTO: GÖTZ Thomas Günther neben dem Baum, der seine Kindheit prägte.
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