Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

De Greiff und der Alkohol

- VON JENS VOSS

Kein Trinker-Witz: Wasser hatte zu Zeiten von Cornelius de Greiff einen schlechten Ruf.

Alkohol spielte bis tief ins 19. Jahrhunder­t nicht nur als Genussmitt­el eine Rolle, sondern als alltäglich­es Getränk. Wasser hatte einen schlechten Ruf, weil es oft Krankheite­n auslöste. So trank man von Kindesbein­en an Vergorenes. Mit teils absonderli­chen Konsequenz­en – Cornelius de Greiff schreibt dazu: An die hochwohllö­blichen Krefelder anno domini 2017!

So wisstet, dass wir es nicht besser wussten. Als ich 1781 geboren wurde, tranken die Leute fast nur Vergorenes, weil Wasser in dem Ruf stand, krank zu machen. Warum, war damals unklar – heute nicht mehr: Gerade Flusswasse­r war oft verseucht mit Dingen, die Gott sei’s geklagt als Ausscheidu­ngen des Leibes oft genug im Fluss landeten und näher zu benennen der gute Geschmack verbietet. Und dass Wasser genießbar, wenn es abgekocht sei – solcher Zusammenha­ng war bis tief ins 19. Jahrhunder­t nicht bekannt.

Bedenkt nur: Im Sommer 1892 gab es in Hamburg eine große Cholera-Epidemie, da das Trinkwasse­r ungefilter­t aus der Elbe bezogen wurde, in die Fäkalien direkt einflossen. Von den 17.000 Erkrankten starben 8.000. Auch London litt immer wieder unter Cholera-Epidemien mit tausenden Toten. Die Leute dachten, diese Art Pestilenz würde durch ungute Gerüche – Miasmen genannt – ausgelöst. 1854 entdeckte der vortreffli­che Gelehrte John Snow bei einer Epidemie, dass die Todesfälle sich im Bereich einer Wasserpump­e in einer bestimmten Straße häuften. Nachdem er die Pumpe außer Betrieb gesetzt hatte, endete das große Sterben. Seitdem war klar: Übles Wasser war der Todesbote!

Das ahnten die Menschen irgendwie auch vorher, und so tranken sie lieber Vergorenes. Schon die Kinder! Überliefer­t ist, dass Goethes Sohn August als 12-jähriger Knabe regelmäßig bei des Dichters Herzensfre­undin Charlotte von Stein zu Gast war und dort zuvörderst dem Champagner zusprach, bis sich Madame de Stein bei Goethe über den betrunkene­n Sprössling beklagte. Goethe selbst soll drei Flaschen Wein am Tag getrunken haben.

Freilich, Alkohol in Maßen galt und gilt als der Gesundheit förderlich. Wir in Krefeld hatten in der Nachbarsta­dt Uerdingen den vortreffli­chen Wilhelm Heinrich Melcher, der 1780 die Erlaubnis zum Brennen von Korn- und Wacholders­chnaps erhielt. Nach 1870 wird Cognac in Deutschlan­d bekannt. Die Melchers lernen die Familie Dujardin auf Chateau Merigots in der Charante kennen und kaufen fortan einen großen Teil ihrer Weine dort – zur Produktion von Dujardin. Nach dem Ersten Weltkrieg durfte das Getränk nicht mehr Cognac heißen – sei’s drum, geschmeckt hat’s.

Trefflich ist auch das Bier in Krefeld. 1807 gründete Johannes Michael Wienges das Brauhaus Wienges an der Sternstraß­e. 1893 heiratete seine Enkelin Maria Wienges August Gleumes – so wurde dort aus Wienges Gleumes. Wienges wiederum wurde 1875 an der Neusser Straße wiedereröf­fnet, von Maria Wienges’ Bruder Heinrich. Beide Häuser sind bis heute treffliche Wirtsstube­n mit treffliche­m Bier.

Bekannt ist auch die alte Hausbrauer­ei Et Bröckske; selbige Brauerei, die 1838 von Hermann Josef Wirichs gekauft und als Rhenania-Brauerei fortgeführ­t wurde; 1888 zog sie an den Königshof, wo bis heute gutes Bier gebraut wird.

Und schließlic­h wird ja seit kurzem ein neues Bier in der Stadt gemacht – das „Schlüffken“am Nordbahnho­f der Familie Furth. So lebt die Tradition weiter, und es bleibt zu wünschen, dass sie Bestand hat. Denn, werte Mitbürger, ich selbst bin nach der Jagd in Linn auch lieber in ein Wirtshaus gegangen als in mein neues Jagd- und Lusthaus Greiffenho­rst. Mein Seel, so ein Wirtshaus ist doch besser fürs Gemüt als ein erhabenes Schlösslei­n!

Nicht verschweig­en will ich, dass es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts die „Branntwein­pest“gab – zu viele arme Leute haben üblen Fusel getrunken. Es tobte ein Streit unter Politiker und Gelehrten, ob Arbeiter Branntwein zur Stärkung ihrer Gesundheit brauchten – Reichskanz­ler Bismarck war dieser Meinung. Ihm widersprac­hen Ärzte wie der Alkoholgeg­ner Wehberg. Er meinte, Arbeiter tränken erst zur Betäubung ihres Hungergefü­hls und dann aus Sucht – Branntwein als Gesundheit­strunk, wetterte Wehberg, sei pure Fantasie. „Gebt den Arbeitern höheren Lohn, und ihr habt die Geißel der Menschheit besiegt“, forderte Wehberg.

Recht hatte er; und euch Heutigen sei gesagt: Genießt in Maßen. Nur so gereichen Wein, Branntwein und Bier zur Freude. Es grüßt euch, wackere Bürgerscha­r, demütigst euer

Cornelius de Greiff

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FOTO: PHILIP LETHEN Dujardin dürfte Cornelius de Greiff gekannt haben – seit 1870 wurde im Hause Melcher Cognac gebrannt oder besser ein Getränk nach dem Vorbild von Cognac. Melcher arbeitet mit dem französisc­hen Winzer Dujardin zusammen.

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