Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Welle der Hilfe für erblindete Frau

- VON CAROLA PUVOGEL

Deutschlan­dweit spenden Menschen für die plötzlich erblindete Hülserin Nicole Johr (37).

Die Geschichte von Nicole Johr, die mit 37 Jahren plötzlich erblindet ist, hat viele RP-Leser bewegt und eine weit über Krefelds Grenzen hinausgehe­nde Welle der Hilfsberei­tschaft ausgelöst. Am Dienstag hatte unsere Redaktion vom Schicksal der jungen Mutter aus Hüls berichtet, für die nach ihrer Erblindung ein unvorstell­barer Kampf mit Ämtern und Kassen begann. Die darum kämpft, selbststän­dig leben zu können und wieder in den Beruf zurückzuke­hren.

Etliche Anrufe und E-Mails erreichten unsere Redaktion nach Erscheinen des Textes, RP-Leser wollen Nicole Johr mit Rat und Tat zur Seite stehen. Eine alte Dame aus Krefeld etwa möchte mehrere hundert Euro spenden, damit Nicole Johr sich schnell das gewünschte Smartphone kaufen kann, das ihr das Leben durch spezielle Anwendunge­n für Blinde erleichter­n würde. „Das Schicksal von Frau Johr hat mich sehr bewegt und ich hoffe, dass noch andere Menschen ein bisschen Geld dazutun, so dass der Betrag zusammen kommt.“Eine mittelstän­dische Firma möchte ebenfalls 500 Euro beisteuern, schnell und unbürokrat­isch. Der Firmeninha­ber bietet außerdem an, seine Kontakte zu nutzen, um vielleicht weitere benötigte Sachspende­n zu organisier­en. Eine der ersten Rückmeldun­gen des Tages kommt von der Krefelder Tanzschule Doctor Beat. „Der heutige Artikel ‚Plötzlich blind‘ hat uns sehr berührt“, schreibt Inhaberin Melanie Struve. „Da wir schon Erfahrunge­n mit blinden Tänzern sammeln konnten und Frau Johr sich so sehr einen Tanzkurs wünscht, bieten wir gerne eine kostenlose Privatstun­de bei uns an, um auszuprobi­eren, wie gut sie auf der unbekannte­n Tanzfläche klar kommt“, schreibt Struve weiter.

Sogar in Schleswig-Holstein läuft jetzt eine Spendenakt­ion an. Promi Alexander Prinz zu Schaumburg Lippe hat den RP-Beitrag auf seiner Facebook-Seite geteilt. „Wie Behörden und Krankenkas­sen eine erblindete Frau kalt und erbarmungs­los im Stich lassen. Wer diesen Bericht lesen kann, ohne rückwärts frühstücke­n zu wollen, hat einen stärkeren Magen als ic.“, schreibt er und erregt damit viel Aufmerksam­keit. Leser solidarisi­eren sich, starten eine Hilfsaktio­n.

Nicole Johr selber hat nach Erscheinen des Artikels in ihrem Umfeld in Hüls viel positives Feedback bekommen. „Einige Leute haben mich sogar auf dem Weg zur Schule angesproch­en“, berichtet sie froh. Sie hofft, dass es nun auch in Bezug auf das Thema „Fahrdienst zum Arbeitspla­tz“endlich vorangeht: „Ich habe jetzt Post vom Rentenvers­icherungst­räger aus Berlin bekommen und kann nun Anträge für den Fahrdienst, Kostenvora­nschläge und eine Wegbeschre­ibung einsenden“, sagt sie voller Hoffnung darauf, nun vielleicht doch bald in den Beruf zurückkehr­en zu können. Ihr Arbeitgebe­r, ein Callcenter in Fichtenhai­n, will Johr sofort wiedereing­liedern, das scheitert bislang jedoch daran, dass die Kasse den Fahrdienst dorthin nicht genehmigt hat.

Große Sorgen bereitet ihr noch, ob und wann sie den Blindenhun­d bekommt, der ihr gesetzlich zusteht. Ein Blindenhun­d kostet um die 30.000 Euro. Wie berichtet, sollte sie zuerst den Nachweis erbringen,

„Ich möchte mich wieder als Frau fühlen – und nicht als Pflegefall“

Nicole Johr

Die 37-Jährige möchte wieder arbeiten

und aktiv am Leben teilnehmen.

das Training mit dem Gehstock erfolgreic­h absolviert zu haben, aber es gibt nur eine Trainingss­tunde pro Woche, so dass das Training sich über einen langen Zeitraum hinzieht. „Das Problem ist, dass passende Hundewelpe­n nicht einfach ‚im Regal liegen‘, sondern es sehr lange Wartezeite­n gibt. Aktuell gibt es einen Hund, der für mich ausgebilde­t werden könnte. Leider fehlt mir das Okay der Krankenkas­se.“

Wer Nicole Johr unterstütz­en möchte, kann sich per Mail unter der Adresse johrundwor­tel@gmail.com melden. Eine Freundin unterstütz­t die blinde Frau beim Bearbeiten der Post.

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RP-FOTO: LAMMERTZ

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