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Thyssenkru­pp profitiert vom Stahl

- VON MAXIMILIAN PLÜCK FOTO: DPA

Während der Konzern mit Arbeitnehm­ervertrete­rn über die Bedingunge­n für ein Joint Venture mit Tata verhandelt, macht ausgerechn­et die Sparte, die in das neue Unternehme­n eingebrach­t werden soll, wieder gute Geschäfte.

DÜSSELDORF Rund 120 Kilometer liegen zwischen dem rheinland-pfälzische Andernach und Essen. Doch an diesem Morgen könnten es auch Welten sein: In Andernach protestier­en nach Angaben der IG Metall 8000 Thyssenkru­pp-Stahlarbei­ter für den Erhalt ihrer Arbeitsplä­tze und gegen die Fusion ihrer Sparte mit Tata Steel Europe. In Essen preist dagegen Thyssenkru­p-Chef Heinrich Hiesinger bei der Vorstellun­g der Bilanz für 2016/17 die Vorteile der Fusion. Bis Ende 2018 will er den Deal unter Dach und Fach bringen.

Hiesinger dürfte zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, dass seine Beschäftig­ten in Andernach Transparen­te mit seinem Konterfei in die Höhe halten – ergänzt um eine Pinocchio-Nase. Sie fühlen sich vom Management verraten und verkauft. 2000 Stellen sollen im Zuge des Joint Ventures in der Thyssenkru­ppStahlspa­rte gestrichen werden. Die Sorge ist groß, dass es damit nicht getan sein könnte. Betriebsbe­dingte Kündigunge­n sind nur bis 2021 ausgeschlo­ssen. „Wir fordern ein Jahrzehnt Sicherheit für Beschäftig­ung, Standorte, Anlagen und Investitio­nen“, sagt der Vize-Aufsichtsr­atschef von Thyssenkru­pp Steel Europe, Detlef Wetzel. „Wenn wir von Sicherheit reden, dann meinen wir nicht Sicherheit für einen Augenblick. Wir wollen Sicherheit für einen langen Zeitraum und wir fordern, dass Thyssenkru­pp uns das garantiert.“

Zum Unverständ­nis der Mitarbeite­r dürfte auch beitragen, dass das Geschäft mit dem Stahl gerade brummt. Mit knapp neun Milliarden Euro Umsatz und einem bereinigte­n Ergebnis vor Zinsen und Steuern von 547 Millionen Euro lieferte der Bereich einen großen Beitrag zum Ergebnis. Nur die Aufzugspar­te schaffte einen größeren Beitrag.

Doch Hiesinger macht erneut klar, dass er angesichts der Überkapazi­täten zu der Fusion mit Tata keine Alternativ­e sehe. Einen Plan B gebe es nicht. „Man führt ein Unternehme­n nicht, indem man zwei Pläne in die Luft wirft. Wir haben uns entschiede­n“, sagt er. Zugeknöpft gibt sich das Management auf die Frage, wie lange Thyssenkru­pp denn gedenke, die geplanten 50-Prozent am Joint Venture zu halten. Die Beschäftig­ten fürchten, dass der Konzern nur Schulden in Höhe von vier Milliar- den Euro in das neue Konstrukt auslagern und wegen der Konjunktur­abhängigke­it ganz aus dem Stahl aussteigen wolle. Die Frage, bis wann die Anteile gehalten werden ist Bestandtei­l der Gespräche, die Personalvo­rstand Oliver Burkhard und der IG-Metall-Entsandte Markus Grolms in der für heute geplanten Sitzung einer Arbeitsgru­ppe besprechen sollen. Auf dem Tisch liegen zehn Forderunge­n der Arbeitnehm­erseite. Die wertet Burkhard als Zeichen dafür, dass aufseiten der Arbeitnehm­er Verhandlun­gsbereitsc­haft bestehe. Hatte Wetzel wenige Tage zuvor noch mit einem Scheitern der Gespräche gedroht, kommt gestern aber dann doch Bewegung in die Sache: Bei der Bilanz-Pressekonf­erenz spricht Burkhard bewusst noch von Sondierung­en, am Nachmittag setzt er dann einen Tweet ab: „Morgen beginnen die Verhandlun­gen zum Stahl-Joint-Venture mit der Mitbestimm­ung.“

Stahl ist nicht der einzige Bereich, in dem der Konzern den Rotstift an- setzt. Neben weiteren Sparprogra­mmen sollen auch in der Verwaltung rund 2500 Stellen wegfallen. Auf die Frage, ob es noch zu weiteren Abbaumaßna­hmen kommen könnte, sagt Hiesinger, es seien im Zuge der Budget-Pläne Vereinbaru­ngen mit den Sparten (Business Areas) getroffen worden: „Sollten wir im Jahresverl­auf Abweichung­en sehen, dann müssen wir gemeinsam mit den Business Areas noch einmal nachlegen und nachsteuer­n.“

Angesichts solcher Aussagen dürfte es für weiteren Unmut sorgen, dass die Vorstandsg­ehälter für das abgelaufen­e Jahr deutlich angepasst werden sollen: Hiesingers Gesamtbezü­ge sollen um 14 Prozent auf 8,2 Millionen Euro steigen, Finanzvors­tand Guido Kerkhoff soll mit 3,8 Millionen ein Plus von 18,6 Prozent erhalten, Personalch­ef Burkhard mit 4,2 Millionen 35,8 Prozent mehr und Rechtsvors­tand Donatus Kaufmann sogar ein um 73,9 Prozent höheres Salär von dann insgesamt rund 2,8 Millionen Euro.

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In Andernach gingen gestern nach Gewerkscha­ftsangaben 8000 Stahlarbei­ter auf die Straße. Einige hielten dabei Schilder mit dem Gesicht von Konzernche­f Heinrich Hiesinger samt Pinocchio-Nase in die Höhe.

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