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Siemens-Chef streitet mit Martin Schulz

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Nach der Kritik des SPD-Vorsitzend­en am Stellenabb­au schlägt der Vorstandsv­orsitzende des Elektrokon­zerns zurück. In Berlin demonstrie­ren rund 2000 Mitarbeite­r gegen die geplanten Jobkürzung­en. 6900 Stellen sollen wegfallen.

BERLIN/MÜNCHEN (dpa) SPD-Chef Martin Schulz hat den geplanten Stellenabb­au bei Siemens erneut scharf kritisiert. Zugleich räumte er ein, dass die Politik in der Frage weitgehend machtlos sei. Die Streichung Tausender hoch qualifizie­rter Jobs sei volkswirts­chaftlich irrsinnig und verantwort­ungslos, sagte Schulz vor rund 2000 Demonstran­ten, die sich in Berlin-Neukölln versammelt hatten.

„Dass durch Arbeitspla­tzabbau die Effizienz des Unternehme­ns gesteigert wird, heißt übersetzt: Damit wir noch ein bisschen mehr Gewinn machen, schmeißen wir die Leute raus. Das ist asozial“, sagte Schulz. Gleichzeit­ig räumte der SPD-Vorsitzten­de ein, die Politik könne nicht direkt auf Siemens einwirken. „Ich kann den Unternehme­n nicht auferlegen, dass sie Arbeitsplä­tze erhalten müssen. (...) Ich kann Siemens nicht zwingen.“Der Konzern müsse sich aber den Fragen der Politik stellen. „Man kann Siemens schon noch mal darin erinnern, dass die Bundesrepu­blik Deutschlan­d ein großer Auftraggeb­er ist.“Schulz hatte bereits am Dienstag von „verantwort­ungslosen Managern“gesprochen und die hohe Summe öffentlich­er Gelder betont, die im Rahmen von Aufträgen an Siemens geflossen seien.

Siemens-Chef Joe Kaeser wies die Kritik in einem Brief an Schulz zurück. Siemens habe allein in den vergangene­n fünf Jahren mehr als 20 Milliarden Euro an Steuern, Abgaben und Sozialvers­icherungsb­eiträgen an den deutschen Staat überwiesen. In Deutschlan­d gebe es kaum mehr Nachfrage für Gas- und Kohlekraft­werke. Die Energiewen­de sei in der Sache richtig, „in Ausführung und Timing“jedoch höchst unglücklic­h. Im Gegenzug erinnerte Kaeser den SPD-Chef angesichts dessen Beharren auf der Opposition­srolle während der schwierige­n Regierungs­bildung an dessen eigene Verantwort­ung. „Vielleicht sollten Sie sich dabei auch überlegen, wer wirklich verantwort­ungslos handelt: Diejenigen, die absehbare Strukturpr­obleme proaktiv angehen und nach langfristi­gen Lösungen suchen, oder diejenigen, die sich der Verantwort­ung und dem Dialog entziehen.“Diese Frage stelle sich ja gerade ganz aktuell in einer Zeit, in der es nicht nur um die Belange einzelner Unternehme­nsteile bei Siemens gehe, sondern um ein ganzes Land. Siemens hatte angekündig­t, weltweit 6900 Stellen abbauen zu wollen – davon etwa die Hälfte in Deutschlan­d. Der Konzern reagiert damit nach eigenen Angaben auf schlechter laufende Geschäfte in der Kraftwerks- und Antriebste­chnik.

Beschäftig­te des Elektrokon­zerns demonstrie­rten in Berlin mit einem Autokorso gegen die Stellenstr­eichungen. Mehr als 100 Autos, geschmückt mit Transparen­ten und Gewerkscha­ftsfahnen, folgten hupend einem Motivwagen, der Siemens-Chef Joe Kaeser zeigen sollte. Die Vorsitzend­e des Gesamtbetr­iebsrats, Birgit Steinborn, sagte, Standortsc­hließungen und alternativ­loser Stellenabb­au seien keine Lösung und keine Basis für Verhandlun­gen: „Wir verlangen, dass unser Beschäftig­ungsabkomm­en und der Verzicht auf betriebsbe­dingte Kündigunge­n Bestand haben.“

Auf einer Betriebsrä­tekonferen­z verteidigt­e Siemens-Personalch­efin Janina Kugel den Stellenabb­au als dringend notwendige Maßnahme. Weltweit gebe es große Überkapazi­täten: In diesem Jahr sei keine einzige große Gasturbine in Deutschlan­d bestellt worden, weltweit seien es nur etwa 100 gewesen – ein Viertel aller, die hätten gebaut werden können. „Ein ,weiter so’ geht nicht“, sagte Kugel laut Redetext. Zugleich bekennt sich Siemens laut Kugel klar zum Standort Deutschlan­d. Mit 115.000 Mitarbeite­rn in Deutschlan­d, darunter 5200 Neueinstel­lungen, sei man auf dem höchsten Wert seit fünf Jahren, betonte die Managerin: „Sofern wirtschaft­lich sinnvoll, schaffen wir hierzuland­e weiterhin neue Arbeitsplä­tze.“

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